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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit
Autoren: Alaya Johnson
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genug waren, sich zu betrinken. Ein Kicheranfall und der Kater am Morgen danach waren nichts gegen … nun ja,
das
.
    Die Haut der russischen Vampirin war rot geworden, hatte man mir erzählt. Nicht nur leicht gerötet, wie man es von normalen Betrunkenen in einer Bar kannte. O nein,
blutrot
. Ihr Blut hatte Tröpfchen auf der Haut gebildet, fast wie Schweiß, und es war aus ihrem Mund geronnen. Ihre Kinder waren natürlich schockiert gewesen. Niemand hatte ihnen erzählt, was mit ihrer Mutter geschehen war, nur, dass sie krank war. Das legal erworbene Blut einer ganzen Woche war auf den Boden gelaufen und hatte eine Lache aus übel riechendem Gift gebildet, das sich durch das Holz gefressen hatte. Das älteste Kind und der Vater waren weggelaufen. Das jüngste Kind war scheinbar gelähmt gewesen – vor Schock, Angst, Ungläubigkeit, Gott weiß was –, denn es war bei seiner Mutter geblieben. Der Vater hatte es erst bemerkt, als es zu spät gewesen war. Die Mutter – blutdurstig, betrunken, gewandelt und mehr als nur ein bisschen rasend – hatte sich ihrem Kind zugewandt und von seinem Blut getrunken. Erst als sie satt gewesen war, hatte sie begriffen, was sie da getan hatte. Zu spät.
    Troy Kavanaghs
Defender
waren die Ersten, die vor Ort gewesen waren. Er hatte mir erzählt, dass die Frau sie angefleht hatte, sie zu pfählen. Sie hatten ihr den Gefallen getan und den Jungen gleich mit gepfählt. Es ist zu gefährlich, zuzulassen, dass Kinder sich wandeln. Das behaupten zumindest
Defender
wie Troy, den ich von früher kenne. Noch von vor meiner Zeit in New York. Bei einer großen, legendären Yeti-Jagd in Nordmontana hatte er Daddy kennengelernt. Als ich nach New York gekommen war, hatte ich eine Zeitlang mit ihm zusammengearbeitet. Ich weiß zwar nicht gut mit einer Pistole umzugehen, aber man kann nicht als älteste Tochter des besten Dämonenjägers von Montana aufwachsen, ohne ein paar Tricks zu lernen. Ich hatte meinen Beitrag geleistet, doch ich hatte die
Defender
verlassen müssen. Die
Anderen
mögen nicht menschlich sein, aber sie sind immer noch Geschöpfe dieser Welt, verstehen Sie? Troy schien das nicht zu begreifen.
    Er hatte mich also während der Säuberungsaktion herbeigerufen, damit ich mich um den Witwer und seinen Sohn kümmerte. Er hatte gemeint, die Situation schreie geradezu nach einer »zarten Hand«. Troy denkt, dass eine maskuline Kinnpartie eine lausige Persönlichkeit wettmachen kann.
    Also war ich schon den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs, und mein Steißbein fühlte sich mittlerweile an, als hätte jemand es mit dem Holzhammer bearbeitet. Außerdem hatte ich einen toten Jungen über der Schulter hängen, der aussah wie ein vampirisches Nadelkissen und dessen Verwandlung man
unter keinen Umständen
zulassen durfte. Zumindest wenn es nach ignoranten Leuten wie Troy ging, die eine ausgeprägte Phobie vor den
Anderen
hatten. Es war also kein Wunder, dass ich einige verstörte Blicke auf mich zog, als ich schnaufend über die Kreuzung der belebten Canal Street fuhr. Warum passierten solche Dinge eigentlich immer mir?
    Ich musste lachen und beobachtete, wie mein Atem in kleinen weißen Wölkchen im Schimmer der elektrischen Straßenbeleuchtung davontrieb.
    Weil ich verrückt bin.
     
    Um zwei Minuten vor acht schoss ich am Verkehrschaos in der Bowery vorbei und hielt an der Ecke Rivington und Chrystie. Schweiß rann mir den Nacken hinab, und meine Bluse klebte mir am Rücken. Mein Hintern war noch immer feucht, meine Zehen spürte ich kaum noch. Zitternd stützte ich mich auf den Lenker und rang keuchend nach Luft. Hinter mir erhob sich das heruntergekommene Gebäude der Chrystie-Elementary-Schule, vom Rauch der Fabrikschlote verkrustet und nur gelegentlich beheizt. Lediglich drei der Klassenräume waren mit elektrischem Licht ausgestattet, und auch das war so zuverlässig wie ein liebestoller Sukkubus. Eine Schule für Einwanderer, unter ihnen auch etliche
Andere
, war für unsere reizende Stadtverwaltung nicht gerade ein Projekt von höchster Dringlichkeit.
    Der Junge auf meiner Schulter begann zu stöhnen. Es war kein normales Stöhnen – Sie wissen schon, gebildet aus Luft und mit Stimmbändern und nach natürlichen biologischen Gesetzen. Nein, dieses Stöhnen war eindeutig jenseitig. Es war ein Stöhnen, das ein kleines Kind wie dieses eigentlich nicht hätte ausstoßen sollen. Es war zu laut und klang fast wie das Nebelhorn eines Schiffes in meinen Ohren. Bis auf den Mund
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