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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit
Autoren: Alaya Johnson
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presste. »Absolut.«
    Es war Amir gelungen, einen Arm des Jungen zu ergreifen, daher musste er nun etwas unbeholfen mit der linken Hand nach einer Taschenuhr greifen, die vermutlich nur an Präsident Coolidge nicht deplaziert gewirkt hätte.
    »Eine Minute nach acht«, sagte er. »Sollen wir dem blutgierigen Vampir erklären, dass Sie spät dran sind? Vielleicht ist er höflich genug, seine Attacke zu verschieben, bis Sie fertig sind.«
    Ich funkelte ihn an. Doch bevor ich etwas Passendes erwidern konnte, spürte ich Zahnfleisch und schnell schärfer werdende Zähne, die über meinen plötzlich entblößten Hals kratzten. Ich fluchte und löste mich mühsam von dem suchenden Mund.
    Amir hatte den Jungen inzwischen an der Taille gepackt und zog ihn von mir herunter. »Hat er Sie gebissen?«, stieß er hervor.
    Erfreut stellte ich fest, dass er tatsächlich besorgt zu sein schien. »Vampirzahnfleisch ist nicht tödlich, soweit ich weiß.«
    »Oh, soll ich ihn dann einfach loslassen? Da Sie offensichtlich kein Problem damit haben …«
    »Ich bin durchaus in der Lage, selbst mit ihm fertig zu werden, Amir«, hörte ich mich sagen – trotz der Flut von Beweisen, die dagegen sprachen.
    Ein seltsames, gefährliches Lächeln auf den Lippen, senkte Amir die dichten Wimpern und ließ den Jungen los. Mit einem Laut, der an eine Katze erinnerte, die an einem Haarball zu ersticken droht, sprang der Junge mir an den Hals. Die Fangzähne waren zwar noch nicht sehr scharf, aber bei seinem Angriff schaffte er es, meine Haut damit zu verletzen. Ich schrie auf – noch immer eher aus Verärgerung denn aus Angst – und griff tief in meine Tasche, um mein Messer herauszuziehen. Die Klinge bestand aus purem, geweihtem Silber. Mein Vater hatte mir das Messer geschenkt, bevor ich von zu Hause fortgegangen war. Nachdem ich Troy verlassen hatte, hatte ich es nie mehr benutzen müssen. Ich hatte schon fast vergessen, dass ich es überhaupt besaß.
    Mit einer geübten Handbewegung drückte ich die stumpfe Seite der Klinge auf die entblößte bleiche Haut am Schlüsselbein des Angreifers. Er wich zurück, als er spürte, wie das geweihte Metall auf seiner Haut brannte. Dieser Augenblick der Unaufmerksamkeit reichte Amir, um den Jungen von mir zu heben. Für einen Moment betrachtete ich aus meiner Perspektive am Boden einen kleinen Vampir, der aussah wie eine Kakerlake, die auf dem Rücken lag und strampelte.
    Ich stand auf. Aus den winzigen Wunden an meinem Hals war nur wenig Blut ausgetreten, trotzdem wischte ich es sorgfältig ab und zupfte meinen zerknitterten Kragen zurecht.
    »Er hat Sie gebissen?«, fragte Amir mit ruhiger Stimme. In seinen Armen wurde der Vampir ein wenig stiller und wehrte sich nicht mehr so heftig. Offensichtlich sah er in Amir eine weniger leckere Mahlzeit.
    Ich zuckte die Schultern. »Es ist nur ein Kratzer«, sagte ich. Dennoch raste mein Herz.
    »Es wurden schon Leute durch weniger gewandelt.«
    Meine Güte, wie ernst er klang. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verbeißen. »Oh, machen Sie sich keine Sorgen um mich. Wie spät ist es?«
    Vorsichtig griff er nach seiner Uhr, die an seiner Weste baumelte. »Drei Minuten nach acht.«
    Ich fluchte und hob mein Fahrrad auf. »Ich muss los. Könnten Sie … Bitte, es gibt einen Raum im Keller, in dem man ihn unterbringen könnte. Würden Sie mir einen Gefallen tun und sich um ihn kümmern? Nur, bis ich fertig bin. Ich würde Sie normalerweise nicht darum bitten, aber …«
    Er lächelte, auch wenn das Lächeln seine dunklen Augen nicht ganz erreichte. »Sie sind spät dran. Gehen Sie. Dann werde ich den lieben Mr. Hamilton heute Abend eben verpassen.«
    Sein leicht spöttischer Ton fiel mir kaum auf, da ich bereits die Stufen hinaufgerannt war und die Tür zur Schule aufriss. Mir war auch klar, dass die
Föderalistenartikel
als Unterrichtstext nicht die beste Wahl waren, aber ich war der Meinung, dass kürzlich in dieses Land eingewanderte Menschen wenigstens schon einmal von den Leitgedanken gehört haben sollten, die bei der Gründung dieser Nation gehegt worden waren – auch wenn sie in der Realität nicht erfüllt worden waren.
    »Danke«, sagte ich verlegen. Er stand noch immer auf der Treppe. Der Vampir schien ihm keine Schwierigkeiten zu bereiten. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich,
was
genau Amir war. Sicherlich kein Mensch.
    »Zephyr«, sagte er, bevor ich die Tür hinter mir schloss. »Woher wussten Sie, dass Sie sich nicht wandeln würden?«
    Seine
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