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Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6

Titel: Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Autoren: Robin Cook
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wäre. An jedem anderen Tag hätte er beim Betreten seines Labors nur an all die wissenschaftlichen Erkenntnisse denken müssen, die er mit seinen magischen Händen zu Tage befördern würde, und schon wäre er vor Vorfreude schier aus dem Häuschen geraten. Die zahlreichen Räume waren mit genau jenen High-Tech-Geräten ausgestattet, um die sich früher all seine Phantasien gedreht hatten. Inzwischen tanzten all diese hochkomplizierten Apparate Tag und Nacht nach seiner Pfeife. Geistesabwesend ließ er seine Finger über die Verkleidung aus rostfreiem Stahl gleiten und berührte flüchtig die analogen Skalen und digitalen Sichtanzeigen, während er auf sein Büro zusteuerte. Er betastete das einhundertfünfzigtausend Dollar teure DNA-Sequenziergerät und den fünfhunderttausend Dollar teuren kugelförmigen Kernspintomographen, aus dem ein Wirrwarr von Kabeln entsprang und die Anlage wie eine riesige Seeanemone erscheinen ließ. Dann sah er zu den PCR-Geräten hinüber, deren rote Lämpchen wie entfernte Radiosterne blinkten und aufeinanderfolgende DNA-Strang-Verdopplungen ankündigten. Früher hatte Kevin in seinem Labor immer Kraft und Hoffnung getankt, doch jetzt erschien ihm jede Röhre der Eppendorf-Mikrozentrifuge und jeder mit Gewebekulturen gefüllte Glaskolben wie ein stummer Hinweis auf die böse Vorahnung, die sich in seinem Kopf zusammenbraute.
    Er ging an seinen Schreibtisch und betrachtete auf der Genkarte den kleinen Arm des Chromosoms 6. Der Bereich, dem sein Hauptinteresse galt, war rot markiert. Es war der major histocompatibility complex, der sogenannte Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC). Das Problem war, daß der MHC nur einen winzigen Teil des kleinen Arms von Chromosom 6 ausmachte. Große Bereiche, die Millionen und aber Millionen von Basenpaaren und folglich Hunderte anderer Gene aufwiesen, waren nicht entschlüsselt. Kevin hatte keine Ahnung, was diese Gene bewirken mochten.
    Vor kurzem hatte er sogar über das Internet weitere Informationen über diese Gene erbeten, doch in seiner Mailbox waren nur ein paar äußerst vage Antworten gelandet. Viele Forscher waren der Meinung, der kleine Arm des Chromosoms 6 enthalte Gene, die mit der Skelettmuskel-Entwicklung zu tun hätten. Doch das war auch schon alles. Niemand hatte irgendwelche Details mitgeteilt.
    Kevin schauderte unwillkürlich und richtete seinen Blick auf das große Panoramafenster über seinem Schreibtisch. Wie fast immer prasselte draußen einer jener in sanften Strömen niedergehenden tropischen Regengüsse gegen die Scheibe. Die Tropfen krochen zunächst ganz langsam nach unten, bis sie zu einer kritischen Masse verschmolzen waren und dann wie Funken eines Schleifrades zerstoben und über die Oberfläche der Scheibe rasten.
    Kevin ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. Der schroffe Gegensatz zwischen den steril glitzernden, klimatisierten Innenräumen seines Labors und der Außenwelt war für ihn jedesmal ein Schock. Obwohl die Trockenzeit eigentlich schon vor drei Wochen hätte beginnen sollen, jagten graublaue Sturmwolken über den Himmel. Der von einer wilden Vegetation überwucherte Erdboden war so dunkelgrün, daß er beinahe schwarz wirkte. Am Rande der Kleinstadt erhob sich der Urwald wie eine gigantische, bedrohliche Flutwelle.
    Kevins Büro befand sich im Krankenhaus- und Labor-Komplex, einem der wenigen neueren Gebäude in dem bis vor kurzem völlig verfallenen und verlassenen spanischen Kolonialstädtchen Cogo, das ganz im Süden des nahezu unbekannten afrikanischen Landes Äquatorialguinea lag. Das Gebäude hatte drei Stockwerke, Kevins Büro befand sich auf der obersten Etage. Von seinem Fenster aus sah er nach Südosten und konnte einen guten Teil der Stadt überblicken, die sich planlos bis zum Estuario del Muni erstreckte, einem Delta, in das zahlreiche Flüsse einmündeten.
    Von den benachbarten Gebäuden waren einige renoviert worden, an anderen wurde gerade gearbeitet, doch die meisten hatte man trotz ihres verfallenen Zustands nicht angetastet. Ein halbes Dutzend der einst prachtvollen Haciendas wurde von Kletterpflanzen und Wurzeln anderer wild wachsender Gewächse überwuchert. Über dem ganzen Gebiet hing die übliche Dampfhaube der extrem feuchten, warmen Luft. Ganz vorne sah Kevin unter sich die Arkaden des alten Rathauses. Im Schatten drückte sich wie immer eine Handvoll äquatorialguinesischer Soldaten herum; sie trugen alle Kampfuniformen, und jeder hatte ein AK-47 geschultert. Wie immer
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