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Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6

Titel: Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Autoren: Robin Cook
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ein bißchen vorsichtiger zu sein. Dieser Zwischenfall hatte zwar nichts mit seinen Fahrradtouren in die Innenstadt zu tun gehabt, aber er war ihm doch so unter die Haut gegangen, daß ihm schlagartig bewußt geworden war, wie leichtsinnig er immer gefahren war.
    Mit der Zeit jedoch schwanden seine Ängste dahin, und als ihm neulich bei einem Überfall in der U-Bahn seine Uhr und seine Brieftasche gestohlen worden waren, hatte er den letzten Anstoß bekommen, wieder aufs Fahrrad umzusteigen. Einen Tag nach dem Überfall hatte er sich ein neues Cannondale-Mountainbike gekauft, und von da an spielte er in den Augen seiner Freunde wieder leichtsinnig mit seinem Leben. Doch das stimmte nicht ganz, denn anders als früher forderte er sein Schicksal nicht mehr heraus, indem er sich zwischen anfahrenden Lieferwagen und geparkten Autos hindurchquetschte. Er raste auch nicht mehr im Slalom die Second Avenue hinunter. Außerdem radelte er nur noch selten nach Einbruch der Dunkelheit durch den Central Park.
    An der Kreuzung kam Jack zum Stehen und wartete darauf, daß die Ampel auf Grün schaltete. Als sein Fuß das Pflaster berührte und er sich umdrehte, sah er im gleichen Augenblick eine Reihe von Fernseh-Übertragungswagen, die ihre Hauptantennen ausgefahren und auf der Ostseite der First Avenue direkt vor seinem Ziel Stellung bezogen hatten: dem Gerichtsmedizinischen Institut der Stadt New York, von vielen auch einfach nur »das Leichenschauhaus« genannt. Jack arbeitete seit eineinhalb Jahren als Gerichtsmediziner an dem New Yorker Institut, deshalb war ihm ein derartiger Journalistenauflauf durchaus nichts Unbekanntes. Im allgemeinen kündigte dieser geballte Medienauflauf davon, daß eine bekannte Persönlichkeit aus dem Leben geschieden war - oder zumindest jemand, der in den Medien eine wichtige Rolle spielte. Es konnte auch sein, daß sich ein Massenunglück ereignet hatte, etwa ein Flugzeugabsturz oder ein Zugunglück. Sowohl aus persönlichen Gründen, aber auch im Interesse der Öffentlichkeit, hoffte Jack, daß ersteres eingetreten war. Als die Ampel auf Grün sprang, überquerte Jack die First Avenue und betrat das Leichenschauhaus über die an der 13th Street gelegene Eingangsrampe. Wie immer stellte er sein Rad in der Nähe der Hart-Island-Särge ab, in denen die von niemandem abgeholten Leichen auf ihren Abtransport warteten, und fuhr dann mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoß hinauf. Jack registrierte sofort, daß alle in hellem Aufruhr waren. Etliche der Tagessekretärinnen, die normalerweise erst nach acht kamen, hingen in der Zentrale an diversen Telefonen und verbanden die Anrufer hektisch mit den gewünschten Gesprächspartnern. Auf den Schaltpulten vor ihnen blinkten unzählige rote Lämpchen. Sogar das Polizeibüro von Sergeant Murphy, der eigentlich erst irgendwann nach neun Uhr einzutreffen pflegte, war bereits geöffnet und hell erleuchtet. Mit wachsender Neugier betrat Jack den sogenannten ID-Raum, in den die Angehörigen zur Identifizierung ihrer Toten geführt wurden, und steuerte als erstes die Kaffeemaschine an. Vinnie Amendola, einer der Sektionsgehilfen, hatte sich wie üblich hinter seiner Zeitung vergraben, doch das war an diesem Morgen um diese Zeit auch schon das einzige, was hier normal zu sein schien. Eigentlich war Jack morgens immer von allen Pathologen der erste, doch an diesem Tag waren nicht nur der stellvertretende Chef des Instituts, Dr. Calvin Washington, sondern auch Dr. Laurie Montgomery und Dr. Chet McGovern bereits vor ihm da. Die drei waren in eine intensive Unterhaltung mit Sergeant Murphy und - zu Jacks Überraschung - Detective Lieutenant Lou Soldano von der Mordkommission verwickelt. Lou kam zwar oft im Leichenschauhaus vorbei, aber mit Sicherheit nicht morgens um halb acht. Obendrein sah der Detective so aus, als wäre er gar nicht im Bett gewesen, oder wenn doch, als habe er in seiner Tageskleidung geschlafen. Jack schenkte sich einen Kaffee ein. Bisher hatte niemand von seiner Ankunft Notiz genommen. Nachdem er Milch und Zucker in seinen Kaffee gerührt hatte, warf er einen Blick durch die Tür, die zur Eingangshalle führte. Wie er es erwartet hatte, drängelten sich im Eingangsbereich Reporter und Kameraleute, die sich miteinander unterhielten und Kaffee aus den Kaffeeautomaten tranken. Zu seiner Überraschung rauchten viele von ihnen. Da das Rauchen im Institut strengstens verboten war, forderte Jack seinen Assistenten Vinnie auf, in die Eingangshalle zu gehen und
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