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Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen

Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen

Titel: Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
Autoren: Robin Cook
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Spritze so weit, wie sie es sich zuvor überlegt hatte. Die Dosis sollte ausreichend, aber nicht zu groß sein.
    Ihr kurzer, unerfreulicher Tagtraum hatte ihr noch einmal schmerzhaft bewusst gemacht, weshalb sie diesen Auftrag wirklich ausfuhren musste. Sie hatte sich bereit erklärt, eine ältere Amerikanerin, die bereits in der Vergangenheit einmal Herzprobleme gehabt hatte, in den ewigen Schlaf zu schicken. Als Gegenleistung garantierte ihr Arbeitgeber ihrer Mutter und ihren Schwestern umfassenden Schutz vor den Misshandlungen ihres Vaters. Die Entscheidung war Veena nicht leichtgefallen. Letztendlich hatte die Erkenntnis den Ausschlag gegeben, dass das die einzige Möglichkeit war, überhaupt so etwas wie Freiheit zu erlangen, und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für elf ihrer Freunde und Freundinnen, die sich alle zur gleichen Zeit Nurses International angeschlossen hatten.
    Veena stellte das Reagenzglas zurück in den Schrank, warf die Spritzenverpackung in den Mülleimer und ging zur Tür. Falls sie ihren Plan wirklich zu Ende führen wollte, musste sie konzentriert und vorsichtig zu Werke gehen. Vor allem durfte sie unter keinen Umständen gesehen werden, besonders nicht in der Nähe des Zimmers ihres Opfers. Falls sie in irgendeinem anderen Teil des Krankenhauses angesprochen werden sollte, dann wollte sie sagen, dass sie am Abend noch wiedergekommen sei, um in der Bibliothek etwas über Maria Hernandez’ Befund nachzulesen.
    Leise drückte Veena die Türklinke und zog die Tür vorsichtig auf, bis sie den Kopf hinausstrecken und den Flur entlangblicken konnte. Im Augenblick waren etliche Leute aus der Putzkolonne zu sehen, die beim Wischen plauderten. Da sie am hinteren Ende angefangen hatten und sich langsam in Richtung Ausgang vorarbeiteten, hatten sie Veena erfreulicherweise den Rücken zugewandt. Sie trat hinaus auf den Flur, schloss leise die Tür und huschte dann lautlos aus dem Operationstrakt. Kurz bevor die Haupteingangstüren zuschwangen, warf sie noch einmal einen Blick auf die Putzkolonne und war erleichtert. Niemand hatte ihre Gegenwart bemerkt.
    Sie mied den Fahrstuhl, um nicht irgendjemandem zu begegnen und womöglich zur Konversation gezwungen zu werden, und ging über die Treppe in den vierten Stock hinunter. Dort angekommen, machte sie die Tür wieder erst nur einen schmalen Spaltbreit auf, bevor sie in beide Richtungen den abgedunkelten Flur entlangblickte. Niemand war zu sehen, auch nicht beim Stationstresen, der in der Mitte des Flurs stand und beleuchtet war. Allem Anschein nach waren die Krankenschwestern fleißig und sahen gerade nach ihren Patienten. Veena hoffte, dass niemand bei Maria Hernandez war, deren Zimmer in der anderen Richtung lag, drei Türen nach rechts von ihr aus gesehen. Abgesehen von den gedämpften Klängen der zahlreichen Fernseher und dem leisen Piepsen der Herzüberwachungsgeräte in der Nähe konnte sie nichts hören.
    Veena ließ die Tür noch einmal ins Schloss gleiten, machte die Augen zu und lehnte sich mit dem Hinterkopf an die Betonwand des Treppenhauses. Sie wollte sich noch ein letztes Mal sammeln und alle Kraft zusammennehmen. Um wirklich jeden Irrtum auszuschließen, ging sie ihr Vorhaben noch einmal Schritt für Schritt durch. Dabei musste sie daran denken, wie sie an diesen absolut unvorstellbaren Punkt ihres Lebens gelangt war. Es hatte sich erst am Nachmittag ergeben, als sie nach der Arbeit in den Bungalow zurückgekehrt war. Das Haus, in dem sie und die anderen elf Krankenschwestern und -pfleger in Diensten von Nurses International wohnen mussten, war nicht etwa, wie das Wort »Bungalow« vielleicht nahelegte, ein unscheinbares Flachdachhaus, sondern eine riesige Villa aus der sogenannten Raj-Ära, der Zeit der britischen Besatzung Indiens. Dort führten sie, zusammen mit der vierköpfigen Geschäftsführung von Nurses International, ein luxuriöses Leben. Doch als sie am Nachmittag nach Hause gekommen war, hatte sich ihr Puls, wie jedes Mal, beschleunigt, hatten sich ihre Muskeln verkrampft. Veena musste pausenlos auf der Hut sein.
    Da sie in der hinduistischen Tradition groß geworden war, besaß sie einen starken Hang, sich männlicher Autorität unterzuordnen, so viel war ihr klar. Als sie sich Nurses International angeschlossen hatte – hauptsächlich, weil die Firma ihr versprochen hatte, sie bei der Emigration nach Amerika zu unterstützen –, hatte sie sich gegenüber dem Leiter der Organisation, Cal Morgan, ganz
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