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Monster

Monster

Titel: Monster
Autoren: Jonathan Kellerman
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Dollard bemerkte es und reckte das Kinn in die Höhe. Augenblicklich blieb der bärtige Mann stehen. Wie angewurzelt stand der da in der sengenden Sonne und rührte sich nicht vom Fleck. Das rote Schild mit der Aufschrift »Ausgang« war noch etwa hundertfünfzig Meter entfernt. Dollards Schlüsselring klapperte. Weit und breit kein weiterer Pfleger. Wir gingen weiter. Wundervoller Himmel. Keine Vögel in der Luft. Irgendwo begann eine Maschine irgendetwas zu zermahlen.
    Ich sagte: »Das, was Chet so von sich gibt, lässt ja durchaus auf eine gewisse Bildung schließen.«
    »Was, weil er von irgendwelchen Büchern plappert?«, erwiderte Dollard. »Ich glaube, er war auf dem College, bevor er ausgetickt ist. Seine Familie hatte wohl eine gewisse Bildung.«
    »Wieso ist er hier gelandet?«, fragte Milo mit einem Blick nach hinten.
    »Aus dem gleichen Grund wie alle anderen auch.« Dollard kratzte sich an seinem Schnurrbart und ging in gleichmäßigem Tempo weiter. Der Hof war riesig. Wir hatten gerade mal die Hälfte des Weges hinter uns gebracht und dabei weitere tote Augen, erstarrte Gesichter und wirre Blicke passiert, bei deren Anblick sich mir die Nackenhaare hochstellten.
    »Zieh dir nichts an, was khakifarben oder braun ist«, hatte Milo gesagt. »Das tragen nämlich die Insassen, und wir wollen ja nicht, dass sie dich nicht mehr rauslassen - obwohl das ja wohl nicht ganz uninteresssant wäre, oder? Ein Psychoklempner, der denen versucht klarzumachen, dass er nicht verrückt ist?«
    »Aus dem gleichen Grund wie alle anderen?«, sagte ich.
    »Nicht verhandlungsfähig«, sagte Dollard. »Typischer Fall für die Kategorie 1026.«
    »Wie viele von der Sorte haben Sie denn hier?«, sagte Milo.
    »Zwölfhundert oder so. Der alte Chet ist eher ‘n trauriger Fall. Er hat auf einem Berg in der Nähe der mexikanischen Grenze gelebt - war so was wie ’n Einsiedler, der in Höhlen schläft, irgendwelches Grünzeug futtert und all so’n Kram. Und irgendwann hatten zwei Camper halt das Pech, dass sie zum falschen Zeitpunkt in der falschen Höhle aufgekreuzt sind und ihn aufgeweckt haben. Er hat sie in Stücke gerissen - mit bloßen Händen. Die Arme des Mädchens hatte er schon abgerissen und war gerade dabei, das Gleiche mit ihrem einen Bein zu veranstalten, als sie ihn gefunden haben. Ein Parkranger oder der Sheriff hat ihm mit einer Schrotflinte ins Bein geschossen, als sie angestürmt kamen, und deswegen sieht das so aus. Bei seiner Festnahme hat er keinen Widerstand geleistet, sondern saß einfach nur neben den abgerissenen Körperteilen und sah aus, als hätte er Angst, dass jemand ihn schlagen würde. Mit sowas ist es natürlich kein großes Problem, bei den 1026ern zu landen. Drei Jahre ist er jetzt hier. Die ersten sechs Monate hat er nichts weiter getan, als zusammengerollt dazuliegen, zu heulen und seinen Daumen zu lutschen. Wir mussten ihn mit Infusionen ernähren.«
    »Und jetzt drischt er Leute zusammen«, sagte Milo. »Immerhin ein Fortschritt.«
    Dollard spreizte seine Finger. Er war Ende fünfzig, stämmig und braun gebrannt und hatte allem Anschein nach kein Gramm Fett zu viel am Leib. Die Lippen unter seinem Schnurrbart waren schmal und spröde und machten einen amüsierten Eindruck. »Was sollten wir denn Ihrer Ansicht nach mit ihm machen? Ihn rausschleifen und abknallen?«
    Milo stieß ein Knurren aus.
    Dollard sagte: »Klar, ich weiß, was Sie denken: Nichts wie weg mit dem Dreck. Und Sie würden sich auch liebend gern für ein Erschießungskommando zur Verfügung stellen.« Er lachte verhalten. »Typisches Bullendenken. Ich hab selbst zehn Jahre lang Streife geschoben - in Hemet -, und bevor ich hier herkam, hätte ich haargenau das Gleiche gesagt. Aber jetzt bin ich seit zwei Jahren hier, und mittlerweile weiß ich, wie die Wirklichkeit aussieht: Manche von den Typen hier sind wirklich krank.« Er berührte seinen Schnurrbart. »Der alte Chet ist kein zweiter Ted Bundy. Er konnte genauso wenig was dafür wie ein kleines Baby, das sich die Windeln voll macht. Das Gleiche gilt für den alten Sharbno da drüben, der in den Dreck gepisst hat.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Da gibt’s irgendwo hier einen Kurzschluss, und schon werden manche Leute zu Müll. Und das hier ist die Müllhalde.«
    »Haargenau aus diesem Grund sind wir ja hier«, sagte Milo.
    Dollard zog eine Augenbraue in die Höhe. »Davon weiß ich nichts. Unser Müll wird nicht abgeholt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir Ihnen
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