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Moni träumt vom großen Glück

Moni träumt vom großen Glück

Titel: Moni träumt vom großen Glück
Autoren: Berte Bratt
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Kinderzimmer.
    „Entschuldigen Sie, aber wer sind Sie eigentlich?“ fragte ich.
    Er legte Gérard ins Bettchen, deckte ihn liebevoll zu, streichelte ihm die Wange, und dann wandte er sich zu mir.
    „Für Gérard bin ich Onkel Marc“, sagte er. „Sonst heiße ich Marcus Becker und wohne, wie gesagt, hier im Haus.“
    „Treten Sie immer als rettender Engel auf?“ fragte ich.
    „Ja.“ Er lächelte wieder. „Ab und zu. Gelegentlich muß ich einspringen und für Frau Clausen rettender Engel sein – wie Sie sagten. Frau Clausen kommt ja noch nicht so ganz zurecht mit der deutschen Sprache, und ich habe für sie ein paarmal dolmetschen müssen, wenn ihr Mann nicht dawar.“
    „Aber Sie sind doch Deutscher“, sagte ich, „und können trotzdem so gut Französisch?“
    „Kommt schon vor“, sagte Marc, „daß auch Deutsche französisch können. Wissen Sie, ich habe einmal ein paar Monate einen Job in Paris gehabt, als Kellner. Da lernt man viel Französisch.“
    „Oh?“ sagte ich fragend. Marcus Becker sah gar nicht wie ein Kellner aus.
    „Aber, warum nicht? Ist ein Kellnerjob nicht genauso gut wie ein Babysitterjob? Und Sie? Wer und was sind Sie denn, wenn ich fragen darf, außer Babysitter?“ erkundigte sich Marc.
    „Ich heiße Monika“, antwortete ich. „Monika Hasseldorf – für gewöhnlich Moni.“
    Wir waren inzwischen zurück ins Wohnzimmer gegangen, und Marc entdeckte mein französisches Lehrbuch auf dem Tisch.
    „Schulmädchen?“ fragte er.
    „Ja, leider noch ein Schulmädchen – mit Französisch als schwachem Punkt. Neulich erst hat meine Französisch-Lehrerin mir den Kopf gewaschen. Ich gebe zu, ich habe ein Brett vor dem Kopf, wenn es sich um Französisch handelt.“
    „Haben Sie denn besondere Probleme?“ sagte Marc lächelnd.
    „Und ob ich die habe. Wenn ich bloß begreifen könnte, wie ich dieses olle ,y’ und das blöde Wort ,en’ anbringen sollte.“
    „Das Problem hatte ich auch in der ersten Zeit in Paris“, sagte Marc. „Wissen Sie, das ist alles gar nicht so schlimm. Das kann ich Ihnen schnell erklären, wenn Sie wollen.“
    „Und ob ich das will. Ich wäre Ihnen zu ewigem Dank verpflichtet.“
    Marc Becker setzte sich hin, nahm mein Lehrbuch, guckte ein bißchen hinein, fragte, wie weit ich gekommen sei, und dann fing er an, alles zu erklären. Und tatsächlich, so langsam ging mir ein Licht auf. Eine halbe Stunde später hatte ich so einigermaßen begriffen, was diese beiden Wörter eigentlich zu bedeuten hatten und wie man sie anbringen sollte.
    Aber nun guckte Marc auf die Uhr.
    „Bedauere sehr“, sagte er. „Schluß mit dem Unterricht für heute, jetzt muß ich zu meinem Job.“
    „Job, jetzt Viertel nach zehn Uhr abends?“ fragte ich.
    „Eben. Mein Job fängt um halb elf an“, lachte Marc. Als er mein erstauntes Gesicht sah, fügte er hinzu: „Damit Sie nun nicht die halbe Nacht mit Nachdenken zubringen, was ich zu nachtschlafender Stunde tue, will ich es Ihnen verraten: Ich mache Eisenbahnwagen sauber.“
    „Was?“ rief ich.
    „Glauben Sie bloß nicht, daß ich das aus Interesse an Eisenbahnwagen mache“, erklärte mir Marc. „Nachtarbeit wird gut bezahlt, und ich spare eben Geld. Haben Sie jemals von Leuten gehört, die es nötig haben, Geld zu sparen?“
    „Wem sagen Sie das?“ lachte ich. „Ich spare doch selbst. Glauben Sie, daß ich Babysitter bin, weil ich eine solche riesengroße Liebe zu dieser Arbeit habe?“
    „Denkbar wäre es“, sagte Marc. „Es ist ja nicht unnatürlich, daß ein junges Mädchen Kinder gern hat.“
    „Habe ich auch“, sagte ich. „Aber die halbe Nacht bei fremden Kindern, in fremden Wohnungen zu verbringen, das macht nun nicht immer so viel Spaß. Nein, ich spare nämlich auch Geld.“
    „Dann verstehen wir uns ja“, lächelte Marc. „Na, ich muß los, Moni. Vielleicht treffen wir uns später mal, und dann können wir weitere Erfahrungen über Geldsparen austauschen. Guten Abend und viel Glück mit Gérard!“
    „Wann kommen Sie wieder nach Haus?“ fragte ich.
    „Oh, wenn ich nach Haus komme, dann sind Sie schon längst in Ihrem eigenen Bett. Ich arbeite bis vier Uhr. Bin gegen halb fünf erst zu Hause.“
    Noch einmal schlug die Wohnungstür zu. Ich fühlte mich plötzlich so furchtbar allein; den Marc fand ich sehr nett. Und daß er mir klargemacht hatte, was ich bis jetzt nie begriffen hatte in der schwierigen französischen Sprache! Nun konnte ich selbst weiterlesen.
    Zum Weiterlesen bekam ich auch
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