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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif
Autoren: Ildikó von Kürthy
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heißt ja, dass all die Stunden, die wir damit verbracht haben, Männer nicht zurückzurufen, umsonst waren. Die Tage,an denen wir uns nur durch übermäßigen Konsum von Choco-Crossies und Meg-Ryan-Videos davon abhalten konnten, ihn gleich am nächsten Tag wiederzusehen. Für die Katz! Was haben wir gelitten, um sie leiden zu lassen. Wir dachten, sie würden warten – und in Wahrheit waren sie vielleicht nicht einmal zu Hause, um zu bemerken, dass wir nicht anrufen!?»
    «Du hast es erfasst, Cora. Du kannst einen Mann nicht warten lassen. Und wenn du mich fragst, es ist höchste Zeit, dass du deine Zeit mit etwas Sinnvollerem verbringst, als zu hoffen, dass Herr Hofmann sich bequemt, deine Nummer zu wählen.»
    Sie hat ja so recht. Werde jetzt sofort aufhören zu warten und stattdessen etwas Sinnvolles tun.
    Ich könnte
    a) meine Steuererklärung machen,
    b) meine Steuererklärung vom vorletzten Jahr oder
    c) den herrlichen Sommerabend nutzen, um den Weihnachtsbaum vom Balkon zu holen und im nahe gelegenen Park zu entsorgen.
    Ich werde bei einem Glas Weißwein in Ruhe darüber nachdenken.
     
    Ich traf Dr. med. Daniel Hofmann unter erniedrigenden Umständen vor drei Wochen und drei Tagen vor der Schwingtür einer Damentoilette.
    Ich war mit Johanna auf einem dieser Feste, von denen am nächsten Nachmittag in sämtlichen Klatschsendungen bei sämtlichen Privatsendern berichtet wird. Jo ist mittlerweile bedeutend genug, um zu so was eingeladen zu werden und sogar noch jemanden mitbringen zu dürfen.
    «Frau Johanna Dagelsi mit Begl.» steht dann auf den Listen, die am Eingang von schmalen Mädchen in dunkelblauen Kostümen abgehakt werden.
    «Begl.» bin ich. Einmal hat Johanna mich sogar jemandem vorgestellt als «Das ist Frau Cora Begl.». Siefand das lustig, brach den ganzen Abend lang immer wieder in hysterisches Gekicher aus. Na ja. Und der Jemand war, wie ich am nächsten Tag in ‹Exclusiv – das Starmagazin› erfahren habe, der Gastgeber.
    Da steh ich drüber. Ich halte nichts von Leuten, die ihre Person mit ihrer Funktion gleichsetzen. Ich gehöre nicht zu denen, die ihr Selbstbewusstsein an ihrem Posten festmachen. Das mag unter anderem allerdings daran liegen, dass ich nicht gerade einen bedeutenden Posten bekleide. Ich meine, ich rede hier wie eine, die heroisch behauptet, sie halte Diät – ohne hinzuzufügen, dass im Kühlschrank sowieso nichts Essbares ist.
    Wenn ich gefragt werde, sage ich immer, ich sei Fotografin. Das stimmt ja auch. Ich bin sogar fest angestellt – und das sind nun wirklich die wenigsten Fotografen. Leider kann ich bei meinem derzeitigen Arbeitgeber mein kreatives Talent nicht völlig ausleben. Ich fotografiere Schrankwände und Couchgarnituren für die Kataloge eines führenden, überregional tätigen Möbelhauses dieses Landes. Was soll’s, einer muss es ja machen. Aber warum gerade ich? Egal, ich muss nicht Heidi Klum vor der Linse haben, um mich für daseinsberechtigt zu halten. Bei mir reicht ein TV/​Video-Möbel mit integrierter Minibar.
    Jedenfalls hatten Jo und ich uns mächtig in Schale geworfen. Den ganzen Nachmittag hatten wir damit zugebracht, teure Fummel aus Jos Schrank zu zerren und darin durch ihren kilometerlangen Flur wie über einen Laufsteg zu stolzieren. Dabei vernichteten wir eine Flasche Sekt und hörten Donna Summer auf Endloswiederholung.
    «I’m looking for some hot stuff, Baby, this ev’ning, I need some hot stuff, Baby, tonight.»
    Das Schönste am Ausgehen ist die Vorbereitung. Es ist diese teeniehafte, alberne Vorfreude.
    Ohrringe ausprobieren.
    Lidschatten, der wie Pailletten über den Augen funkelt.
    Einmal dunkelroten Lippenstift auftragen.
    Sich in Röcke zwängen, die so kurz sind, dass jeder Mann glaubt, er müsse für eine Nacht mit mir bezahlen.
    Zigaretten beim Auftragen des Make-ups im Waschbecken ausdrücken.
    Herrlich!
    Ich will, dass das immer so bleibt. Auch wenn es in zwanzig Jahren dann nicht mehr ‹Rouge pour les lèvres›, sondern ‹Abdeckstift für die faltige alte Lippe› heißt und wir statt einem Hauch von Seide dann blickdichte Stützstrümpfe tragen werden. Egal. Es macht Spaß.
    Als Jo und ich um kurz vor acht ins Taxi stiegen, fühlten wir uns wie vierzehn – und benahmen uns auch so. Jo erzählte dem Fahrer schmutzige Witze, während ich auf der Rückbank eine Kerbe in meinem meterhohen Absatz mit schwarzem Edding übermalte. Ich fand, dass ich einfach umwerfend aussah. Jo hatte mir ihr nachtblaues Etui-Kleid
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