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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Spaß daraus und versuche, wie beim Bleigießen, herauszufinden, welche Bedeutung diese Haargebilde haben könnten: ‹Die unkoordinierte Strähne, die aus dem ansonsten plattgedrückten Haar am Hinterkopf herausragt, lässt heute auf ungewöhnliche Energie und Tatendrang schließen. Die Locke, die sich unvorteilhaftüber die Stirnmitte windet, ist ein Zeichen für erotische Ausstrahlung und enorme sexuelle Attraktivität.›
    Na ja. An diesem Morgen war mir nicht danach zumute. Ich sah aus wie ein Wischmopp, mit dem man auch gut in die Ecken kommt.
    Am Briefkasten begegnete ich, schlechter kann ein Tag nicht anfangen, Frau Zappka aus dem Erdgeschoss, die gleichzeitig Hausmeisterin ist und sich für alles zuständig fühlt, besonders für das, was sie nichts angeht.
    Vor zwei Monaten hatte ich eine kurze, aber laute Affäre mit dem Fahrer, der meiner Nachbarin jeden Mittag das Essen auf Rädern bringt. Zu der Zeit erwischte mich Frau Zappka, wie ich samstags um vier Uhr nachmittags versuchte, meine Post aus dem Briefkasten zu angeln. (Habe vor vier Jahren meinen Briefkastenschlüssel verloren. Seither benutze ich einen Kochlöffel, der unten mit beidseitig klebendem Klebeband umwickelt ist.)
    «Na, ist wohl spät geworden, gestern Nacht», sagte eine schrille Stimme hinter mir, die mich so erschreckte, dass mir der vielversprechend aussehende Umschlag, den ich schon in greifbare Nähe heraufgezogen hatte, entglitt und wieder in den Tiefen meines Briefkastens verschwand.
    «Na ja», sagte ich blöde. «Ist ja Wochenende. Kann man ja ausschlafen.»
    «Sie sollten sich mal einen Schlüssel nachmachen lassen.»
    Ich sagte nichts. Der vielversprechende Umschlag kam zum Vorschein. Absender waren die Gaswerke. Mist.
    «Unser Haus ist ja wirklich sehr hellhörig.» Frau Zappka ließ nicht locker. Ihr Ton bekam jetzt etwas Höhnisches.
    «Mmmmmh.»
    «Der Sander im Zweiten hat wieder Bronchitis. Der hustet, dass bei mir im Schrank die Gläser klirren.»
    «Mmmh, mmmh. Schlimm.»
    «Und dieses homosexuelle Paar ganz oben. Ich habe ja nichts dagegen, aber am Wochenende kommen die nie vor vier Uhr morgens nach Haus. Und grölen im Treppenhaus, dass sogar mein Mann aufwacht, und der hat ’nen gesunden Schlaf. Na ja, na ja. Ich bin eh mal gespannt, wie lange das mit den beiden gutgeht. Weiß man ja, dass diese gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht von Dauer sind.»
    «Mmmh   …»
    «Und Sie, Frau Hübsch?»
    Jetzt hatte ich eine Postkarte von Jo am Löffel kleben.
    «Sie haben wohl auch wieder ’nen neuen Freund?»
    Ich überflog Jos Zeilen:
    «Hallo Cora-Schatz! Bekommst du noch täglich dein Essen auf Rädern? Hauptsache, was Warmes im Bauch, sach ich immer.
    Har! Har! Har! Liebe Grüße aus New York!
    Hab Sex im Bett und anderswo
    rät dir in Freundschaft, Deine Jo»
    Sehr süß. So machen wir das immer. Die letzten Zeilen unserer Briefe und Karten sind gereimt. Dabei ist Jo allerdings im Vorteil: Jo. Po. Sowieso. Irgendwo. Damenklo. Amigo. Dildo.
    Auf Cora reimt sich fast gar nichts. Auf Hübsch auch nicht. Meinen besten Reim hab ich ihr von Mallorca geschrieben:
    «Das Wetter geht mir an die Nieren
    sogar die ganzen Putzfrauen frieren.
    Wünsch mir ’nen Pulli aus Angora
    mit klammen Händen grüßt
    Deine Cora»
    War genial. Fand ich.
    «Frau Hübsch? Haben Sie einen neuen Freund? Ich hatte nur so den Eindruck. Die letzten Tage.»
    Mannomann. Frau Zappka, du alte Nervensäge.
    «Was? Ach so. Ja. Gewissermaßen.» Woher wusste die Schabracke von meinen erfüllten Nächten? Mir schwante Schlimmes.
    «Wissen Sie, Frau Hübsch, man hört in diesem Haus ja wirklich alles. A-l-l-e-s.»
    Nun, mein neuer Gefährte gehörte eben nicht zu den verklemmten, pseudomännlichen Typen, die auch im Bett nie zeigen, was wirklich in ihnen vorgeht. Ich liebte seine Lautstärke. Erstens weiß man dann als Frau immer, wann man aufhören kann, so zu tun, als würde man vor Lust vergehen. Nichts ist schlimmer als die Kerle, die plötzlich, ohne Vorankündigung fertig sind. Wie soll man denn da glaubwürdig einen Orgasmus simulieren?
    Und zweitens machte es mit ihm wirklich Spaß. Rein sexuell gesehen. Ich wusste von Anfang an, dass dieser Mann nichts für Dauer war. Er verstand meine Witze nicht. Und wenn ich eines nicht leiden kann, ist es, wenn einer über meine Witze nicht lacht. Die sind nämlich gut. Meistens jedenfalls.
    Zum Glück war ich an diesem Morgen blendend gelaunt und schlagfertig.
    «Sie haben ja sooo recht, Frau Zappka»,
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