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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer
Autoren: Melanie Rawn
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eine Belohnung.«
    »Wir wissen, dass Ihr nichts für Euch selbst annehmen würdet«, sagte sein Kollege, »aber kommt doch in unser Lager, wenn Ihr Zeit habt, und sucht Euch etwas aus, wovon Ihr glaubt, dass es zur legendären Schönheit Eurer Mutter passen würde.«
    Pol wollte widersprechen, doch Meath unterbrach ihn geschickt. »Ihr seid sehr großzügig, und im Namen der Höchsten Prinzessin Sioned schlagen wir ein.« Eine Zurückweisung wäre eine Beleidigung gewesen, doch Pol war noch nicht Prinz genug, um das zu verstehen. Die meisten Leute waren überzeugt, dass Höhergeborene etwas Besonderes waren, tapferer und besser als normale Menschen. Man musste ihnen zutrauen, dass sie die Prinzenreiche und Güter beherrschen konnten. Aber wenn sie nicht besser waren, worauf sollte man dann hoffen? Ein Tribut in Gestalt feiner Seide würde diesen Glauben symbolisieren, so wie Willa durch einen neuen Kelch Genugtuung finden konnte. Hier hatte Pol den richtigen Instinkt gehabt, auch wenn er noch nicht begriff, dass er etwas viel Wichtigeres getan hatte, als für etwas Zerbrochenes Ersatz zu versprechen.
    Aber er verstand genug, um Meath zuzustimmen: »Danke. Meine Mutter wird sehr dankbar sein. Werdet Ihr dieses Jahr nach Waes reisen, um sie dort in Eurer Seide zu sehen?«
    »Nicht einmal Drachen könnten uns daran hindern, Hoheit.« Die beiden machten eine elegante Verbeugung, und Pol lächelte. Nur Meath sah das amüsierte Aufblitzen in den blaugrünen Augen.
    Als sie später nach Graypearl zurückritten, blieb Meath sehr wortkarg. Er überlegte, wie er Prinz Lleyn den Vorfall erklären sollte. Der Ablauf an sich war völlig klar, doch er war beunruhigt über den Merida und die Feuerbeschwörung. Auf halber Höhe des Schlosshügels warf er Pol einen Blick zu und sagte: »Ihr wisst, dass es sicher einfachere Methoden gibt, um kostenlos an ein Geschenk für Eure Mutter zu kommen.«
    »Ist das die Geschichte, die Ihr ihr erzählen wollt?«
    »Schon möglich. Aber was mich am meisten beschäftigt, ist Eure kleine Darbietung mit dem Feuer. Halt, ich will mich nicht beschweren. Sie waren überrascht und haben deshalb schlecht gekämpft. Und Ihr habt den Tisch nicht einmal angesengt«, meinte er lobend.
    »Vielleicht verleiht mir Lady Andrade meinen ersten Ring«, erwiderte Pol leichthin.
    »Und vielleicht erzählt Ihr mir lieber, wer Euch das beigebracht hat«, sagte Meath ernst.
    »Niemand. Ich habe einfach … Ich musste sie doch ablenken, und das schien mir das Einfachste.«
    Meath starrte zwischen den Ohren seines Pferdes hindurch auf die Straße. »Ihr habt die Fähigkeit von beiden Seiten geerbt, also ist es wohl kaum eine Überraschung, dass Ihr einfach Eurem Instinkt gefolgt seid.« Unter einem schattigen Baum zügelte Meath sein Pferd, und Pol tat es ihm nach. Meath sah dem Jungen direkt ins Gesicht und hielt seinen Blick bewusst fest. »Muss ich Euch wirklich sagen, wie gefährlich Euer Instinkt sein kann, mein Prinz?«
    Als Meath den Titel an Stelle seines Namens gebrauchte, musste Pol schlucken. Doch er konnte Meaths Augen nicht ausweichen. Der Lichtläufer überlegte kurz, wie lange er Pol wohl noch auf diese Weise beeinflussen konnte. Diese uneingeschränkte Konzentration, die einen so sicher in Bann schlug, wie ein Drache ein Schaf oder ein Reh mit einem einzigen Blick aufspießen konnte, war etwas, das alle Faradh’im während ihrer Ausbildung bei Lady Andrade lernten. Während er Pols Blick festhielt, fiel ihm auf, dass die Augen des Jungen trotz ihrer Farbe nichts vom Meer an sich hatten. Sonnenüberglänzter Wüstenhimmel lag darin, grenzenloses Blau wie in den Augen seines Vaters. Auch Smaragde, so hell wie der, den seine Mutter am Finger trug, und die Farbe des Mondlichts, wenn es durch ein Blatt fällt. Aber keine Farben des Meeres, nicht bei diesem Sohn der Wüste.
    Meath hob seine Hände, sodass seine Ringe die Lichtstrahlen einfingen, die durch das Blätterdach über ihnen fielen. »Mein Vater war ein einfacher Schmied in Gilad, und meine Mutter eine Fischerstochter, die den Anblick des Meeres hasste. Von ihr habe ich die Gabe, die mich zum Faradhi machte. Der erste dieser Ringe ist für das Rufen des Feuers. Drei Jahre habe ich es geübt, bevor ich ihn mir verdient hatte. Ich war schon über zwanzig, als ich endlich würdig war, meinen vierten Ring zu tragen, und erst nach zwei weiteren Jahren erhielt ich den fünften und sechsten. Ihr mögt eine größere Begabung haben als ich – aber Ihr habt
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