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Mondglanz

Mondglanz

Titel: Mondglanz
Autoren: Ann Aguirre
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Gesandtschaft genießt diplomatische Immunität«, erklärt Vel. »Der Schnitt auf Ihrer Wange und die Aufnahmen der Überwachungskameras beweisen, dass die Aggression nicht von Ihnen ausging. Wir können anführen, dass Marsch aus Notwehr gehandelt hat, um Ihr Leben zu schützen. Es wäre eine große Schande für unser Volk, würde ein Mitglied Ihrer Delegation irreparable Schäden davontragen, nachdem wir Ihnen sicheres Geleit zugesichert haben.«
    Ich bin ziemlich sicher, das Einzige, woran Marsch gedacht hat, war, möglichst viele dieser Insekten zu zerquetschen. In seinem Gesicht kann ich zumindest nichts anderes erkennen als das dringende Bedürfnis, jemanden oder etwas zu töten. Selbst jetzt sieht er aus wie ein wildes Tier. Die Verletzungen, die er seinen Gegnern beibringen konnte, genügen ihm noch nicht. Ich zittere.
    »Wohin bringen sie uns?«, brummt Marsch.
    »Zum Raumhafen«, antwortet Vel. »Wir werden die Wartungstunnel nehmen. Ich habe den Friedenshütern erklärt, dass Sie etwas von Ihrem Schiff holen wollten und sich auf dem Weg dorthin verirrt haben.«
    Das lässt uns zwar etwas dämlich erscheinen, aber es kommt der Wahrheit recht nahe. Zumindest ist es eine einigermaßen brauchbare Entschuldigung, auch wenn sie uns wahrscheinlich fragen werden, warum wir nicht einfach um eine Eskorte gebeten haben oder einen Boten, der uns die Sachen bringt. Ich wünschte, wir hätten es getan.
    Andererseits habe ich durch die Begegnung mit dem wütenden Mob eine bessere Vorstellung davon, was der durchschnittliche Ithorianer von einer möglichen Allianz mit dem Konglomerat hält. Wird wohl nicht so einfach werden, wie Kanzler Tarn es gern hätte. Die Große Verwalterin scheint schon nicht allzu begeistert, und das gewöhnliche Volk ist es noch viel weniger.
    Die plötzliche Wärme brennt auf meinen nackten Armen. Mehr als alles andere wünsche ich mir eine tröstende Berührung von Marsch oder wenigstens einen Gedanken, aber es kommt nichts von ihm. Genauso gut könnte er auf einem anderen Planeten sein, und dabei, Maria ist meine Zeugin, sehne ich mich so sehr danach, dass alles wieder so wird, wie es war. Wie wir waren.
    »Warum haben Sie mich nicht um Hilfe gebeten?«, fragt Vel leise. »Selbst wenn Sie vorhatten, gegen die Regeln zu verstoßen, hätten Sie wissen müssen, dass Sie sich auf mich verlassen können.«
    Sogar gegen die Regeln deines eigenen Volkes? Ich merke, dass ich ihn unbewusst mit »ihnen« gleichgesetzt habe, mit jenem geheimnisvollen Kollektiv, vor dem ich so sehr auf der Hut sein muss. Ich hatte Angst, Vel von Marschs Geisteszustand zu erzählen, Angst, es könnte gegen uns verwendet werden. Und ich hatte Angst, Vel könnte es in den falschen Hals bekommen, wenn ich ihm erkläre, dass ich einen Übersetzungschip will.
    »Kann ich das?« Ich versuche, nicht allzu misstrauisch zu klingen.
    Marsch blickt uns stumm an und rutscht nervös hin und her. In Gedanken bitte ich ihn, sich rauszuhalten, aber ich spüre nicht dieses Prickeln, wie es normalerweise der Fall ist, wenn er meine Gedanken liest. Im Moment ist er nicht mehr als ein stiller Beobachter. Meine Probleme sind nicht länger seine.
    Statt eine Antwort zu geben, dreht der Kopfgeldjäger sein Gesicht weg und schaut nach draußen. Das Fahrzeug heult auf und jagt schwebend auf den schillernden Raumhafen zu.
    »Das hier ist nicht mein Volk.« Der nüchterne Tonfall des Stimmgenerators unterstreicht die Bedeutung seiner Worte nur noch. »Ich gehöre zu ihrer Art, aber nicht zu ihrem Volk.« Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll, aber Vel spricht ohnehin sofort weiter, also brauche ich auch nicht darüber nachzugrübeln. »Ich habe Ithiss-Tor verlassen, weil ich hier nicht hingehöre. Ich bin viel gereist, aber nie habe ich …« Er verstummt, als suche sein Stimmgenerator nach dem richtigen Wort. »… irgendwo hingehört. Nie habe ich mich irgendwo so zugehörig gefühlt wie mit Ihnen, Sirantha.«
    Ich weiß immer noch nicht, wie ich reagieren soll. Eigentlich möchte ich ihn umarmen, aber Vel hat mir erklärt, dass den Ithorianern emotionale Verbundenheit völlig fremd ist und sie eine Umarmung als aggressiven Akt auffassen. Andererseits, hat er nicht gerade gesagt, er ist nicht wie seine Artgenossen?
    »Aber bei der Gilde, da musst du doch so etwas wie …«, beginne ich.
    »Das war meine Arbeit«, erklärt Vel. »Ich bin ein Meister darin, Flüchtige wieder einzufangen. Bis zum heutigen Tag ist meine Bilanz makellos. Aber
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