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Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit
Autoren: Elke Meyer
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Erdgeschoss ist ein separater Eingang. Weitere Fragen morgen. Ich werde mich jetzt zu Bett begeben. Stern, ich erwarte Sie morgen früh um neun in der Brennerei, im Büro. Gute Nacht.“ Bevor Ma c farlane die Tür schloss, legte er einen Schlüsselbund auf den kleinen Beistelltisch in der Diele. „Die Schlüssel für Ihre Haustür und den Keller.“ Schon ve r schwand er hinter der Tür, durch die sie vorhin getreten wa r en. Er schloss hinter sich ab, als befürchtete er, belästigt zu werden.
     
    Amber wachte auf, als sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch die leic h ten Vorhänge bahnten. Das Kätzchen, das sie Morgaine genannt hatte, lag zu ihren Füßen und blinzelte sie verschlafen an.
    Amber räkelte sich in dem pastellfarbenen Himmelbett mit den vi e len Kissen, das herrlich bequem war. Sie hatte unruhig geschlafen. Immer wieder träumte sie von Blut und hörte Schreie.
    Gähnend stand sie auf, und öffnete die Vorhänge. Sie liebte die Morgensti m mung, wenn das Leben allmählich erwachte. Der Ausblick aus dem Fenster war ate m beraubend. Zu ihren Füßen lag der Loch Gealach. Eine Schar Enten flog über ihn hinweg, um im Uferschilf zu landen. Das grauschimmernde Wasser kräuselte sich wie ein Waschbrett. Auf der linken Seite schmiegte sich der Wald wie ein grüner Teppich an den Hügel, auf dessen Kuppe ein einzelner Menhir stand. Wie ein warnender Finger reckte er sich aus dem Grün. Amber verspürte plöt z lich ein flaues Gefühl im Magen.
    Der Anblick erschien ihr vertraut. Sie erinnerte sich, ein ähnliches Foto in dem Bildband gesehen zu haben, den sie von den Freundinnen zum Abschied g e schenkt bekommen hatte. Er befand sich noch im Koffer. Sie zog ihn heraus und blätterte, bis sie das Foto fand.
    Der Menhir gehörte zum Steinkreis von Clava Cairn, einer Grabhüge l anlage.
    „Clava Cairn, Clava Cairn“, murmelte Amber vor sich hin. I r gendwo hatte sie diesen Namen schon einmal in einem anderen Zusammenhang gelesen. Sie wühlte wieder im Koffer, bis sie ein in Leder gebundenes Buch h e rauszog, das sie in einem Londoner Antiquariat gekauft hatte. Es war ein besonders wertvo l les Stück. Anfang des 20. Jahrhunderts g e schrieben, über keltische Legenden. Amber schlug das Kapitel „Die L e genden von Clava Cairn“ auf.
     
    An den Festen des Mondes öffnet sich an diesem Ort das Tor zur A n derswelt.
     
    Dieser letzte Satz hallte in ihrem Kopf nach, nachdem sie das Buch zugeschl a gen hatte. Lange saß sie am Fenster und blickte zu dem Menhir hinauf. O b wohl im Zimmer warme Temperaturen herrschten, begann sie zu frösteln. Sie zog die Knie an, und schlang die Arme darum. Wie gestern, als sie den Wehrgang hinter sich g e lassen hatten, beschlich sie ein ungutes Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte. Irgendetwas Bedrohliches schwebte über dem Schloss und dieser G e gend.
     
     

3.
     
    E ine Woche war vergangen. Der Alltag hatte Amber eingeholt. Fast, denn noch waren Semesterferien. Der Start an der neuen Uni stand erst bevor. Gleich schossen ihr unzählige Fragen durch den Kopf, was sie dort e r wartete. Nein, besser nicht darüber nachdenken, sondern alles auf sich zukommen lassen, en t schied sie. Aber sie langweilte sich. Ihr fehlten die Freundinnen und Unterne h mungen. Alle kulturellen Einrichtungen waren zu weit entfernt, und allein mac h te nichts Spaß. Zum ersten Mal seit Jahren sehnte sie den Seme s terbeginn herbei.
    Umso mehr freute sie sich darüber, wenn ihr Vater mit einem frö h lichen Lied auf den Lippen früh das Haus verließ, und abends ebenso gut gelaunt zurüc k kehrte. Das wirkte ansteckend. Selbst ihre Mutter sprühte vor Elan. Sie ging darin auf, den Räumen mit Acce s soires eine eigene Note zu verleihen.
    Nur Kevin war der Alte geblieben, und verbrachte die meiste Zeit wie üblich vor dem Computer mit Online-Spielen.
    In den Tagen bis zum Semesterbeginn erkundete Amber die Gegend um G e alach. Nur Clava Cairn ließ sie aus. Eine Scheu hielt sie davon ab. Erst am letzten Ferientag, einem nebligen Spätsommermorgen, b e schloss sie, doch den Hügel nach Clava Cairn hinaufzugehen. Weil es in Schottland weitaus kühler war als in London, streifte sie die Jean s jacke über. Hier war eben alles anders, die Natur rauer, die Luft kühler, und die Menschen verschlossener als sie es vom quirligen Lo n don gewöhnt war. Ein kräftiger Wind schlug ihr entgegen, als sie am Ufer des Loch Gealach entlang stapfte, um den Trampelpfad zu erreichen, der zur
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