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Mond der Unsterblichkeit

Mond der Unsterblichkeit

Titel: Mond der Unsterblichkeit
Autoren: Elke Meyer
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zu.
    Kevin stieß Amber an. „Der Kerl hat bestimmt was gegen Heavy Metal, we t ten? Der sieht genauso zerknittert aus wie seine Vorhänge.“
    Sie stiegen eine breite Treppe zu einer Galerie hinauf. Das gedrechselte Gelä n der mit aufwändigen Schnitzereien, Darstellungen von ve r schiedenen Blättern der Umgebung, war eine Augenweide. Oben angekommen staunte Amber über die zah l reichen Gemälde, die den Flur zu beiden Seiten flankierten. Es handelte sich um die Ahnengalerie der Macfarlanes. Damen in mittelalterlichen Gewä n dern, schott i sche Krieger, die meisten mit auffallend maisblondem Haar. Mit düsteren Mienen sahen die Ahnen auf die Bes u cher herab.
    „Das reinste Gruselkabinett“, gab Kevin flüsternd zum Besten.
    Amber hatte das Gefühl, als folgten ihnen die Blicke misstrauisch, und wäre am liebsten schnell vorbei gelaufen. Doch dann hätten ihre Eltern sie wieder als albern bezeichnet. Sie schenkten den Gemälden keine Beachtung, sondern waren in ein Gespräch mit dem Schlossbesitzer vertieft. Amber folgte ihnen in einigem A b stand. Plötzlich hielt Kevin sie am Ärmel fest.
    „Sieh dir das mal an“, flüsterte er und deutete auf die Wand neben i h nen.
    Ein goldumrahmtes Gemälde, größer als die anderen, zog sie in ihren Bann. Schwarze Augen in einem klassisch schön geschnittenen Gesicht blickten spö t tisch auf sie herab. Auf den vollen Lippen lag der Hauch von einem Lächeln. Gol d blonde Locken umrahmten den Kopf des jungen Kriegers. Sein muskulöser Obe r körper war unbekleidet. Er trug eine Art schwarze Lederhose und in seinen Händen hielt er Schild und Schwert. Alles an ihm strahlte Dominanz und gleic h zeitig Sinnlic h keit aus. Es war die Mischung aus Ästhetik und Gefahr, die Amber an diesem Por t rät faszinierte. William Macfarlane, Erbauer von Gealach Castle , stand darunter auf einer gol d farbenen Tafel eingraviert.
    Kevin boxte sie gegen den Arm. „Das meine ich doch gar nicht, so n dern das.“
    „Aua, spinnst du?“ Sie rieb sich die Stelle, an der morgen b e stimmt ein blauer Fleck prangen würde, und warf einen ärgerlichen Blick zu ihrem Bruder.
    „Sorry“, sagte er kleinlaut. Dann hob er seinen Arm und deutete auf ein and e res Bild.
    Auf dem Gemälde war eine Landschaft zu sehen. Sie erkannte ein H ü gelgrab, das in helles Licht getaucht war, was sie an Darstellungen christlich heiliger Orte e r innerte.
    „Sieht fast so aus wie der Stall von Bethlehem“, sagte Kevin und kicherte. „Das passt gar nicht hierher, zwischen diese Zombies.“
    „Sei nicht so respektlos“, wies sie ihn zurecht. Du kannst froh sein, dass Mom das nicht gehört hat. Komm, wir sollten ihnen lieber folgen, sonst dürfen wir uns einen Vortrag anhören.“
    Macfarlane führte sie eine Treppe hinauf zu einem anderen Flügel des Schlo s ses, der mit dem Haupttrakt durch einen Wehrgang verbunden war. Im Vorbe i gehen spähte Amber durch die Schießscha r ten. Wieder drängten sich Bilder in ihr auf. Blut rann an den steinernen Wänden hinunter, begleitet von den Schre i en Sterbender. Ein Zittern erfasste ihren Körper.
    Macfarlane schloss eine Holztür auf, die ihm knarrend entgegen sprang. Z u nächst erwartete Amber den Anblick eines nüchtern ei n gerichteten Raumes. Doch zu ihrer Überraschung betraten sie im Schein brennender Fackeln einen quadratischen Raum, an dessen weiß g e kalkten Wänden Dudelsäcke hingen. Zu ihren Füßen lag ein Schafwollteppich, in dem man knöcheltief versank. Ein e i chener Schrank mit einem aufgemalten Entenidyll war der Blickfang. Dieser Raum strahlte eine unerwartete Behaglichkeit aus, und stand im krassen Gege n satz zur Einrichtung des Haup t traktes, den Macfarlane nutzte.
    „Oh, wie wundervoll!“ Mom konnte ihre Begeisterung nicht ve r bergen, und presste die Hände an ihre geröteten Wangen.
    „Meine Frau war Innenarchitektin und hat die Einrichtung dieses Flügels en t worfen“, erklärte Macfarlane.
    „Das trifft genau unseren Geschmack, nicht wahr, Finlay? Wir we r den uns hier sicher wohlfühlen, Mr. Macfarlane. Vielen Dank.“
    Angesichts Moms übertrieben gezeigter Freude verdre h te Amber die Augen. Die wollte nur Pluspunkte für Vater sammeln. Aber auch sie musste gestehen, dass die Wohnung ihre Erwa r tungen übertraf. Überall spürte man die Hand einer Frau. In den verspielten Motiven der Dekor a tion, wie in den Blümchenmustern der Tapete oder dem großen Himmelbett, das Amber von nun an ihr Eigen ne n nen konnte.
    „Im
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