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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical
Autoren: Annette Meyers
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bedenklich.
    Die Anzeigetafel des Imperial war hell
beleuchtet. Hotshot: The Musical, mit tausenden Glühbirnen geschrieben.
Wetzon hämmerte an die Türen zum Foyer, aber das Foyer war dunkel, und die
Türen waren abgeschlossen. Sie hielt sich nur eine Sekunde auf, dann rannte sie
durch die Gasse zum Parkplatz, die Abkürzung zum Bühneneingang.
    Unheimliche Schatten fielen auf sie. Ein
Straßenschild — Parken verboten, irgendwie aus seiner Betonverankerung gerissen
und vom Wind erfaßt — flog ein paar Schritte vor ihr vorbei und knallte gegen
die Backsteinmauer des Theaters. Der Wind hob sie von den Füßen, sie schrie auf
und wurde gegen die Bühnentür geworfen. Sie fiel auf den Boden und besah sich
den angerichteten Schaden. Zerrissene Strumpfhose, Ärmel an der Schulter
eingerissen, Schuhe einen Schritt von ihr weg. Sie raffte sich auf und zerrte
an der Tür. »Verdammt!« schrie sie. Der Wind riß ihr das Wort von den Lippen.
    Ein teuflischer Wirbelwind hob ihre Schuhe an,
bevor sie sie holen konnte. Sie rannte ihnen nach — Ferragamos waren nicht
billig — , dann gab sie es auf.
    Als sie sich wieder zum Bühneneingang umdrehte,
stand die Tür offen.

  Nichts
erhellte den Hintereingang. Wetzon ieß die Tür offen, um einen schwachen Lichtschein
vom Parkplatz hereinzulassen, und tastete sich vor. Die Tür war vermutlich die ganze Zeit offen gewesen.
    Sie stand in der Dunkelheit. Es war
hoffnungslos. Was sollte sie tun? Tief durchatmen, befahl sie sich. Sie tat es
und rief juhu, als wolle sie jemanden besuchen: »Carlos? Bist du hier?« Ihre
Stimme fiel in die Totenstille. Sie schob sich vorwärts, berührte die Wand. Sie
hatte in diesem Theater in Anatevka mitgewirkt. Eigentlich müßte sie
sich an den Grundriß erinnern.
    Sie stieß gegen das Portierspult. Jetzt brauchte
sie nur noch eine Taschenlampe. Aus Erfahrung wußte sie, daß sich eine im Pult
oder an einem Haken in der Nähe befinden mußte. Sie fand sie an einem Haken an
der Seitenwand neben dem Pult.
    Ihre Füße waren eiskalt vom Steinboden. Sie
hätte den Schuhen nachlaufen sollen. Jetzt war es zu spät. Sie knipste die
Taschenlampe an; ihr Strahl flackerte. Die Batterien waren fast leer, verdammt.
Sie ließ das Licht kreisen, sah nichts, rückte durch den Flur in die
Seitenkulissen vor. Von da auf die Bühne. Sogar bei dem trüben Licht konnte sie
sehen, daß die blaue Segeltuchtasche verschwunden war. Aber wo konnte Carlos
sein? Da sie nicht nachdenken wollte, was passiert sein könnte, richtete sie
die Lampe in den Orchestergraben hinunter und in den Zuschauerraum. Auf der
Bühne eines leeren Theaters zu stehen war unheimlich. Sie hatte das Gefühl, daß
verborgene Augen sie beobachteten.
    »Carlos?« Sie überquerte die Bühne zu der
Treppe, die zu den Garderoben führte. Sie würde hinaufgehen müssen. Vielleicht
hatte Smith Bernstein gefunden, und sie waren schon auf dem Weg.
    Sie setzte den Fuß auf die unterste Stufe und
leuchtete nach oben. Nichts. »Carlos?«
    Ein leises Stöhnen ließ ihr einen Schauder über
den Rücken laufen. »Carlos?« Wo war der Laut hergekommen? Nicht von oben,
sondern von unten. Doch der Orchestergraben war leer gewesen.
    Der Kostümraum. Verflixt. Das war eine
Todesfälle, ein Labyrinth. Ein erneutes leises Stöhnen. Sie ging die Treppe zum
Keller hinunter und in den Kostümraum, schwenkte den schwächer werdenden
Lichtstrahl umher. Kostüme an Ständern. Vollgestopfte Regale, Kartons mit
Stoffresten, eine Nähmaschine, eine Schneiderpuppe. Der Geruch nach
Textilfarben. Und nach etwas anderem. Der eindeutige süßliche Geruch nach Blut.
Wieder hatte jemand ganz in der Nähe gestöhnt; langsam drehte sie sich um.
    Der Lichtstrahl fing eine Bewegung auf dem Boden
in der Nähe eines Kostümständers ein. Sie drängte sich durch. Carlos lag auf
dem Boden. Aus einer häßlichen klaffenden Wunde direkt über seinem rechten Auge
tropfte Blut. »Carlos!« Sie ließ sich auf die Knie fallen, und die Taschenlampe
fiel ihr aus der Hand und rollte weg. »Was habe ich getan?« Sie hob seinen Kopf
auf ihren Schoß und spürte fast sofort das Blut durch ihr Kleid sickern.
    »Häschen...« Er griff schwach ihre Hand.
»Verschwinde von hier. Sofort.«
    »Ich lasse dich nicht allein. Wer hat das getan?
Was ist mit dem Schläger?« Er antwortete nicht. »Stirb nicht, Carlos. Bitte
stirb nicht.« Sie suchte seinen Puls. Verdammt, wo war Bernstein?
    In der Dunkelheit suchte sie tastend unter den
Kostümen nach etwas Weichem,
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