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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht
Autoren: Ellis Peters
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der Reigen konnte von vorne beginnen. Vielleicht konnte sie nicht siegen, aber aufgeben konnte sie auch nicht.
    »Für uns hier«, sagte Cadfael nachdenklich, »wirken diese Dinge seltsam fern und unwirklich. Hätte ich nicht vierzig Jahre in der Welt gelebt und selbst in einer Armee gedient, dann würde mir das alles höchstens vorkommen wie ein schlechter Traum.«
    »Abt Radulfus denkt wohl etwas anders darüber«, erwiderte Hugh mit ungewohntem Ernst. Er kehrte dem ruhenden, feuchten Garten, der allmählich in seinen Winterschlaf sank, den Rücken und setzte sich an der hinteren Wand der Hütte auf die Holzbank. Das stille Glühen der Kohlenpfanne, unter dem frischen Torf gedämpft, glänzte auf den kühnen, schlanken Knochen seiner Wangen und seiner Stirn, hob sein Gesicht vor den tiefen Schatten hervor und flackerte kurz in seinen schwarzen Augen, bevor die Lider mit den dunklen Wimpern die Funken löschten. »Euer Abt wäre ein besserer Ratgeber für den König als jene, die sich jetzt, da er wieder frei ist, um Stephen drängen. Allerdings würde er ihm nicht sagen, was er hören will, und der König würde sich die Ohren verstopfen.«
    »Gibt es Neuigkeiten von König Stephen? Wie hat er das Jahr seiner Gefangenschaft überstanden? Ist er voller Kampfeslust herausgekommen, oder hat die Zeit seinen Eifer gedämpft? Was will er jetzt tun?«
    »Das werde ich wohl erst nach Weihnachten beantworten können«, sagte Hugh. »Er soll bei guter Gesundheit sein. Aber sie hat ihn in Ketten gelegt, und das wird nicht einmal er schnell und großmütig vergeben können. Er ist schlanker und hungriger als vorher, und ein Stechen im Bauch kann ihm wohl helfen, seine Gedanken zu konzentrieren. Wenn er früher voller Begeisterung einen Feldzug oder eine Belagerung begann, wurde er es am dritten Tag schon müde, wenn er nicht gesiegt hatte, und jagte am fünften Tag schon einer neuen Beute hinterher. Vielleicht hat er gelernt, den Blick fest auf sein Ziel zu heften, bis er es erreicht hat. Manchmal frage ich mich, warum wir ihm überhaupt folgen und uns nicht einen anderen suchen; aber dann sehe ich ihn sich selbst in die Schlacht stürzen, wie er es in Lincoln tat, und dann weiß ich den Grund. Als er seine Feindin schon so gut wie gefangen hatte, damals, als sie in Arundel landete, gab er ihr eine Eskorte zur Burg ihres Bruders mit, statt sie festzusetzen. Ich schelte ihn einen Narren, aber während ich ihn schelte, liebe ich doch. Gott allein weiß, welche Riesendummheit er aus falsch verstandener Ritterlichkeit als nächstes begehen wird. Aber ich freue mich, ihn wiederzusehen, und ich versuche, in seinem Sinne zu handeln.
    Auch ich bin einberufen wie der Abt, Cadfael. König Stephen will das Weihnachtsfest in Canterbury verbringen und seine Krone wieder aufsetzen, um klarzustellen, wer hier der gesalbte Herrscher ist. Er hat alle seine Sheriffs zu sich gerufen, daß sie ihm aufwarten und ihm von ihren Grafschaften berichten. So hat es mich getroffen, da wir keinen ordentlich ernannten Sheriff haben.«
    Er sah Cadfael lächelnd und mit dunklen, aufmerksamen und nachdenklichen Augen von der Seite an. »Ein kluger Schachzug. Er muß wissen, welche Treue er nach einem Jahr oder fast einem Jahr im Gefängnis noch erwarten kann. Aber es besteht kein Zweifel daran, daß mir das Treffen die Absetzung einbringen kann.«
    Für Cadfael war dies ein neuer und erschreckender Gedanke. Hugh war mehr oder weniger ins Amt des Sheriffs gezwungen worden, nachdem sein Vorgesetzter Gilbert Prestcote an den Wunden eines Kampfes und durch die Tat eines verzweifelten Mannes gestorben war. Zu dieser Zeit war der König schon Gefangener in der Burg von Bristol gewesen und hatte keinen Offizier mehr ernennen oder degradieren können. Hugh hatte ihm dennoch gut gedient und ohne regelrechte Amtsgewalt den Frieden gehütet, und er hatte sich bewährt. Doch nun, da der König wieder frei war und entscheiden konnte, erhob sich die Frage, ob Stephen einen so jungen Angehörigen des niederen Adels in seinem Amt bestätigen würde, oder ob er die Gelegenheit nutzen würde, um einen Baron zu ernennen, den er für den nächsten Feldzug an sich binden wollte.
     
    »Dummheit!« sagte Cadfael nachdrücklich. »Der Mann ist nur ein Narr, wenn es um ihn selbst geht. Er hat Euch zum Stellvertreter des Sheriffs ernannt, als er Euch kämpfen sah.
    Was sagt Aline dazu?«
    Immer wenn Hugh den Namen seiner Frau hörte, nahm sein scharf geschnittenes, feines Gesicht
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