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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht
Autoren: Ellis Peters
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erwiderte Cadfael, »daß er sich nicht klein machen noch sich unbeobachtet bewegen kann, was immer er auch tut. Sein Übertritt muß im Licht des Tages geschehen, wo alle ihn sehen können. Und zweimal im gleichen Jahr, das ist mehr, als man von einem Mann verlangen kann.«
     
    »Ah, aber im Namen der Kirche, Cadfael, im Namen der Kirche! Es ist doch nicht der Mann, der das Lager wechselt, es ist der Vertreter von Papst und Kirche, der für das Dogma der Unfehlbarkeit einstehen muß.«
    Tatsächlich hatte Bischof Henry von Blois seine Bischöfe und Äbte zweimal im gleichen Jahr zu einem Konzil einberufen; einmal am 7. April in Winchester, um seine Unterstützung für die Kaiserin Maud absegnen zu lassen, als ihre Macht zunahm und sie ihren Rivalen, König Stephen, sicher im Gefängnis von Bristol eingesperrt hatte; und zum zweitenmal jetzt, am 7.Dezember in Westminster, um seinen Sinneswandel zugunsten Stephens zu rechtfertigen, da der König nun wieder frei war und die Stadt London Mauds Verlangen, sich in der Hauptstadt niederzulassen und die Hand nach der Krone auszustrecken, abschlägig beschieden hatte.
    »Wenn er noch nicht das Lager gewechselt hat, dann wird es bald geschehen« sagte Cadfael, während er, zwischen Bewunderung und Verachtung schwankend, den Kopf mit der graubraunen Tonsur schüttelte. »Die wievielte Kehrtwendung ist dies nun? Das erste Mal schwor er jener Dame die Bündnistreue, als ihr Vater ohne männlichen Erben starb. Dann akzeptierte er ihren Bruder Stephen, der in ihrer Abwesenheit die Macht ergriff. Ein drittes Mal, als er mit der Dame Frieden schloß - ein schöner Frieden war es! - , während Stephens Stern sank. Er rechtfertigte sich mit der Behauptung, Stephen habe versagt und die Heilige Kirche verraten… und nun muß er seine eigenen Argumente noch einmal umdrehen und die Kaiserin beschuldigen. Oder wird er etwas Neues aus dem Ärmel ziehen?«
    »Was könnte er schon Neues sagen?« erwiderte Hugh achselzuckend. »Nein, er wird seine Machtposition in der Heiligen Kirche strapazieren und das Beste daraus machen, daß alle seine Argumente schon einmal gehört haben; das letzte Mal erst im April. Und er wird Stephen ebensowenig überzeugen wie Maud, aber Stephen wird es ihm mit einem leisen Knurren durchgehen lassen, da er es sich ebensowenig wie damals Maud erlauben kann, die Unterstützung des Henry von Blois zurückzuweisen.
    Und der Bischof wird zähneknirschend seinen Kirchenoberen in die Augen starren und seine Wut mit versteinertem Gesicht hinunterschlucken.«
    »Es könnte leicht das letzte Mal sein, daß er das Lager wechselt«, entgegnete Cadfael, während er einige genau abgemessene Torfstücke in die Kohlenpfanne gab, damit sie leise und mit kontrollierter Hitze weiterbrannte. »Sie hat fortgeworfen, was wahrscheinlich ihre einzige Chance war.«
    Eine seltsame Frau war sie, König Henrys königliche Tochter.
    Sie war schon als Kind mit Heinrich V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, verheiratet worden und hatte in Deutschland die allergrößte Dankbarkeit des Volkes ihres Gatten erworben, so daß dieses, als die Kaiserin nach seinem Tod nach England gerufen wurde, sich empört und bekümmert erhob und sie anflehte, zu bleiben. Hier aber, in ihrer Heimat, als das Schicksal ihr den Feind in die Hände spielte und die Krone schon über ihrem Haupt schwebte, hatte sie sich derart rachsüchtig und überheblich gezeigt und derart unversöhnliche Strafen für frühere Beleidigungen verhängt, daß die Menschen in der Hauptstadt sich ebenso empört erhoben hatten; allerdings nicht, um sie zum Bleiben zu bewegen, sondern um sie zu vertreiben und ihren Hoffnungen, jemals die Herrscherin zu werden, ein gewaltsames Ende zu bereiten. Und obwohl bekannt war, daß sie sich giftig auch gegen die standhaftesten Verbündeten wenden konnte, vermochte sie sich dennoch die Liebe und Treue der Besten unter den Baronen zu erhalten. Auf Stephens Seite gab es keinen Mann, der ihrem Halbbruder, dem Grafen Robert von Gloucester, oder ihrem Liebling und angeblich sogar Geliebten, Brian Fitz-Count, ebenbürtig gewesen wäre. Letzterer besetzte nun in seiner Festung in Wallingford ihren östlichsten Vorposten. Aber jetzt brauchte es mehr als ein paar Helden, um ihre Partei zu retten. Sie war gezwungen gewesen, ihren königlichen Gefangenen freizugeben, um ihren Halbbruder, ohne den sie völlig machtlos war, zurückzubekommen. Und nun war die Lage in England wieder wie ganz am Anfang, und
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