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Mörderische Kaiser Route

Mörderische Kaiser Route

Titel: Mörderische Kaiser Route
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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unserem Empfinden einfach lächerlich. Die im Radwanderführer empfohlene Zeiteinteilung war vielleicht eine Richtlinie für abgeschlaffte Dickbäuche, aber keinesfalls für uns, die wir an einem Sonntag leicht und locker hundert und mehr Kilometer bergauf, bergab, quer durch die Eifel, durchs Hohe Venn oder die limburgische Schweiz abspulten.
    Maximal vier Tage, so hatte ich mir vorgenommen, würde unsere Radtour dauern. Im Zweifel würden wir bis zum nächsten Quartier weiterfahren, ehe wir zu früh eine Pause machten. Wir vertrauten in dieser Beziehung der praktischen und ausführlichen Radwanderkarte, die in allen Orten entlang der Kaiser-Route ansprechende Unterkünfte anpries.
    ,Schaun mer mal, würde ein anderer Kaiser sagen’, dachte ich mir unbekümmert. Irgendwo würden wir immer ein Plätzchen für die Nachtruhe finden.
    Ich blinzelte der jungen, adretten Bedienung zu, die sich genähert hatte und neben mir stehen geblieben war, und bestellte noch ein Mineralwasser. Das Mädchen nickte stumm und schluckte dann.
    „Ist das nicht schlimm?“, bemerkte sie betroffen und zeigte auf die aufgeschlagene Zeitung, die vor mir auf dem Tisch lag. „Roswitha Thiele war eine Schulkameradin von mir.“
    Fragend sah ich die Schülerin an, die offenbar das Gespräch suchte, um sich zu erleichtern.
    „Roswitha hat wie ich hier im Café in den Sommerferien gejobbt und wollte eigentlich schon am letzten Montag in Urlaub gefahren sein. Ich möchte wissen, warum sie hier geblieben ist.“
    Ob Roswitha denn in Paderborn oder der Umgebung gewohnt habe, fragte ich mit geheuchelter Anteilnahme. „Schon, aber wir leben hier im Internat“, antwortete das Mädchen mit einem verlegenen Lächeln. „Roswitha war gerade in die dreizehn gekommen, ich bin in der zwölf. Wir sind Schülerinnen am Mädchengymnasium St. Michael, wenn Sie wissen, was ich meine.“
    Ich wusste es in der Tat, schließlich hatte ich mich gut vorbereitet für unser Abenteuer. Das Mädchengymnasium galt früher einmal als die Eliteschule schlechthin. Maximal fünfundzwanzig Mädchen pro Jahrgangsstufe wurden dort unterrichtet, ausgewählt nach rein schulischen Leistungen, durften sie im von Nonnen betreuten Internat wohl behütet wohnen und lernen. Wer am St. Michael die Reifeprüfung ablegte, dem stand die Zukunft offen.
    Das galt allerdings für Roswitha Thiele nicht mehr. „Es ist für mich unbegreiflich, was da passiert ist.“ Die Aushilfskellnerin hatte Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken. „Das macht keinen Sinn. Roswitha hat doch nichts getan.“
    Was sollte ich darauf entgegnen?
    „Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, davon werden wir nie erfahren“, flüchtete ich mich in einen Allgemeinplatz, der die jugendliche Bedienung veranlasste, sich enttäuscht von mir abzuwenden.
    Es fiel mir schwer, den Kopf wieder frei zu bekommen, die Schülerin tat mir Leid. Sollte ich dem Mädchen etwa empfehlen, mit der Polizei Kontakt aufzunehmen? Aber wahrscheinlich würden die Ermittler schon von sich aus auf die Idee kommen, die Schulkameradinnen von Roswitha zu befragen.
    Mich ging das Geschehen im Prinzip nichts an, redete ich mir ein. Morgen schon würden wir uns in die Sättel schwingen und gen Aachen radeln. Der Gedanke daran machte mich zufrieden.
    Ich wollte mit geschlossenen Augen die Sonnenstrahlen und die Ruhe genießen, die uns umgab, und empfand es als ziemlich störend, als ich das hohe, aufdringliche Piepsen eines Handys vernahm. Vor Schreck wischte ich beinahe das
    Wasserglas vom Tisch, als ich bemerkte, dass ausgerechnet Dieter aufgeregt an seiner Kleidung herumnestelte und sein mobiles Telefon ans Tageslicht holte.
    Wir hatten vorher ausgemacht, dass wir uns von niemandem stören lassen wollten und für niemanden zu sprechen waren. Dieter hatte mir obendrein hoch und heilig versprochen, das Handy zu Hause zu lassen. Und jetzt? Sein Wortbruch grenzte schon fast an die Aufkündigung unserer Freundschaft, wie ich ihm mit einem funkelnden Blick zu verstehen gab.
    Am liebsten hätte ich meinem angeblichen Freund das Gerät aus der Hand gerissen und es ins Paderwasser geworfen. Auch wenn mir das Handy schon einmal lebensrettende Dienste geleistet hatte, war es jetzt nach meiner Ansicht völlig fehl am Platze.
    Verlegen zuckte Dieter mit den Schultern und grinste gequält. „Do wollte, dass ich erreichbar bin“, versuchte er, sich zu entschuldigen.
    Ich konnte und wollte ihm nicht so recht glauben und hielt seine Aussage für eine unverfrorene
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