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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht
Autoren: Lukas Erler
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Uhr da. Lad sie zum Essen ein oder zeig ihr die Stadt. Irgendwas in der Art.«
    »Geht nicht«, sagte Anna, deren Stimme jetzt nur noch ein heiseres Flüstern war, »sie ist verletzt. Wir sind hier im Klinikum Großhadern. Jemand hat versucht, sie zu erstechen.«

Fünf
    W
    enn ich Anna und Elena ansah, hatte ich das Gefühl, dass nur ich in den letzten zwei Jahren älter geworden war. Elena Bakarova jedenfalls war noch genauso schön, wie ich sie in Erinnerung hatte.
    Nach der Landung in München hatte ich Anna angerufen und erfahren, dass sie das Klinikum verlassen hatten und inzwischen in meiner Wohnung waren. Anna hatte mir die Tür geöffnet und stumm mit dem Daumen hinter sich gedeutet. Elena lag auf meiner Couch und sah sich die Nachrichten im Fernsehen an.
    Als ich ins Wohnzimmer kam, schaltete sie den Apparat aus und lächelte. Es war ein schüchternes, schmerzverzehrtes und absolut hinreißendes Lächeln. Sie hatte sehr blasse Haut, schwarz glänzende Haare und meergrüne Augen. Unter ihrem weißen T-Shirt war der dicke Verband um ihren Brustkorb deutlich zu erkennen. Ich ging zu ihr und gab ihr die Hand.
    »Challo«, sagte sie mit ihrem leichten russischen Akzent.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Ist nicht so schlimm, eine oberflächliche Verletzung an den Rippen. Und bitte: Nennen Sie mich Elena.«
    Ich war von der Situation völlig überfordert. Anna und ich hatten Elena und ihren Schwiegervater vor zwei Jahren in Lettland kennengelernt, als wir versuchten, in Ventspils einen korrupten Beamten des Freihafens zu treffen. Von ihr hatten wir erfahren, dass dieser Beamte entführt und vermutlich getötet worden war, was unsere lettische Spur im Sande verlaufen ließ. Aber ich hatte sie nicht vergessen. Nicht ihre strahlende Schönheit und nicht den Klang ihrer Stimme. Habe ich das richtig verstanden, dass Sie von Kriminellen verfolgt werden und trotzdem hierher gekommen sind?, hatte sie gefragt. Damit wären wir quitt, meine Schöne. Ich hatte in den vergangenen zwei Jahren oft überlegt, sie anzurufen, jedoch nie den Mut dazu gehabt, und letztendlich hatte die Trauer um Helen jeden Gedanken an eine andere Frau verdrängt.
    Anna warf erst mir und dann Elena einen prüfenden Blick zu und seufzte resigniert.
    »Tja, ich freue mich auch, dich wiederzusehen. Willst du ein Bier?«
    Ohne auf meine Antwort zu warten, ging sie in die Küche und kam mit drei Flaschen Paulaner zurück. Elena schüttelte stumm den Kopf. Anna deutete auf einen der Sessel und schob eine Bierflasche zu mir.
    »Wir müssen reden«, entschied sie, »worüber zuerst? Antwerpen oder München?«
    »München!«
    »Gut, dann fange ich an. Heute Nachmittag, etwa gegen halb drei, wollte ich noch einmal in deine Wohnung. Ich hatte mir überlegt, den Redakteur von diesem Kunstmagazin anzurufen, um vielleicht etwas Näheres über den Mord in Mombasa zu erfahren. War nur so eine Idee. Die Zeitschrift lag hier bei dir auf dem Tisch. Also bin ich hierher gefahren, und als ich die Treppe hochkam, saß Elena auf der obersten Stufe direkt vor deiner Wohnung – zusammengekauert, die Arme um ihren Oberkörper geschlungen – und weinte. Sie sah völlig fertig aus, doch ich habe zunächst nicht gesehen, dass sie verletzt war. Erst als sie mich erkannte und die Arme sinken ließ, habe ich das Blut gesehen. Unmengen von Blut.«
    Annas Stimme klang gefasst und kontrolliert. Ich wusste, dass sie sich so anhörte, wenn sie Angst hatte.
    »Seid ihr mit deinem Auto ins Krankenhaus gefahren?«
    »Nein, ich war zu aufgeregt. Ich habe einen Krankenwagen gerufen, und die haben uns nach Großhadern gebracht. Die Verletzung ist tatsächlich nicht schwer. Eine Stichwunde genau zwischen zwei Rippenbögen, außen an der linken Körperseite, etwa einen Zentimeter tief, hat der Arzt gesagt. Die Messerklinge ist abgeglitten, und das Heft des Messers beziehungsweise die Faust des Täters hat ihre Rippen getroffen und eine Prellung verursacht. Sie hat Schmerzen beim Luftholen, aber sie ist okay.«
    Ich warf einen fragenden Blick zu Elena hinüber.
    »Ja, die wollten mich nicht einmal im Krankenhaus behalten. Sie haben mich verbunden und gesagt, ich soll in fünf Tagen wiederkommen. Anschließend haben sie die Polizei angerufen und die Stichverletzung gemeldet.«
    »Waren die bei euch?«
    »Nein«, sagte Elena, »wir sind von der Klinik aus mit dem Taxi hingefahren. Sie haben ein Protokoll aufgenommen, und ich habe ihnen alles erzählt, was passiert ist.«
    »Gut, dann musst du es
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