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Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)

Titel: Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
Autoren: Klaus Bittermann
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Eintritt abverlangt hätte, aber der Erste, der gezahlt hätte, wenn ich denn gezahlt hätte. Aber ich bringe das nicht über mich, auch wenn das wiederum eine nette Geschichte ergeben hätte, die ich anschließend hätte aufschreiben können. Zuerst liest Franz Dobler, dann ich und dann wieder Franz Dobler. Die anderen hören zu. Wie das eben so ist auf den Kleinkunstlesebühnen.
    Anschließend kriege ich ein Lob für meine wöchentliche »Blutgrätsche. Die Wahrheit über den Spieltag«, die in der jungen Welt erscheint, und das heißt wiederum, dass einer der ganz seltenen Leser der jungen Welt vor mir steht. Ich hätte das hier nicht extra erwähnt, ich meine das mit dem Lob, nicht mit dem seltenen Leser, aber ich musste es ja unbedingt gleich Franz Dobler weitertratschen. Der grinst mich verschmitzt an und sagt einen Tick zu herablassend: »Zu mir sagte einer, ich hätte es verdient, nur vor Frauen zu lesen.«
    Da sehe ich blass gegen aus. Oder doch nicht? Als ich Franz Dobler nämlich frage, wie lange ich ihn eigentlich vertreten soll, schleimt er: »Auf keinen Fall länger als zehn Minuten, sonst stiehlst du mir noch die Show«, und deshalb stellt er mich mit den Worten vor: »Ich muss verrückt sein, jemanden wie Klaus Bittermann einzuladen.« Später fragt mich der ehemalige Geldtransportüberfaller und Autor Luggi Lugmeier: »Sachma, wie hat Franz das eigentlich gemeint?«
    Diverse Jack Daniels, meine Entlohnung für die zehn Minuten Arbeit, begleiten mich durch die nächtlichen Straßen nach Hause und halten den Regen von mir ab. In der Dieffenbachstraße hat das »Ohne Ende« noch offen. Es hat immer offen. Zu den Jack Daniels gesellen sich noch ein paar hinzu. Betrunkene Männer stieren ins Nichts. Einer davon kommt mir bekannt vor. Das bin ich. Ich glotze mich aus den unergründlichen Tiefen des Tresens an. Aus einem Spiegel, aber das wird mir erst nach großem Konzentrationsaufwand klar. Den Rest der Nacht verbringe ich zu Hause über der Kloschüssel. Es ist ein ziemliches Gewürge, aber ich tröste mich damit, dass Harry Rowohlt weiß der Himmel was für diesen hingebungsvollen Zustand geben würde, seit er die Polyneuropathie an den Hacken hat und strenge Alkoholkarenz schieben muss.
    Der Morgen graut. Langsam dämmere ich weg, während mir Harrys Bassstimme leise ins Ohr dröhnt: »Aaaah, wie ich dich beneide!«

Für Gott
    Die »Milchbar« ist gut gefüllt. Und zwar mit gemischtem Publikum. Jüngeres, älteres und Altgenossen. Und mit Bommi Baumann, der aus seinem Buch liest, meistens aber frei Schnauze erzählt, wa! Bommi Baumann pflegt den breiten Balliner Dialekt, bei dem ich mich frage, wie um Himmels Willen er mit dem in der großen weiten Welt zurechtkam, als er sich auf der Flucht vor dem BKA-Zielkommando »Bommi Baumann« befand.
    Es geht um Rausch und Terror, und so lautet zufälligerweise auch das Buch. Bommi Baumann ist dem Tod gerade mal noch so von der Schippe gesprungen. Heroin und eine Flasche Wodka auf Ex am Tag, zugezogene Vorhänge, damit gab er sich die Kante, wurde im »Gulli« eingeliefert, das Urban-Krankenhaus, und spürte von dem harten Entzug nur deshalb nichts, weil er ihn im Koma verdämmerte. Dennoch hatte man ein naives und fröhliches Verhältnis zu all den bunten Pillen, da wurde experimentiert und geschluckt, was das Zeug hielt, aber gut drauf war man trotzdem. Im Gegensatz zu heute, wo junge Türken sogar während des Fußballspielens sich in die Büsche schlagen, um kurz zu schnüffeln. Man möchte lieber damals als heute Drogen genommen haben.
    Und jetzt noch der Terror. Mitte der sechziger Jahre befand sich die Oranienstraße noch fest in der Hand der Bauarbeiter, die freitags ihren Wochenlohn in den berüchtigten Balliner Kneipen in Alkohol umsetzten. Das war für einen langhaarigen Hippie Spießrutenlaufen vom Feinsten, wa.
    Bommi Baumann will immer noch den Kapitalismus abschaffen. Er rät zum Generalstreik. Aus den Tiefen der »Milchbar« ruft jemand »Revolution«. Wenn ich die Stimmung richtig deute, ist man sich einig, aber daran glauben mag man auch nicht, lieber trinkt man einen Wodka. Wie Volker Hauptvogel von der Berliner Punkband Mechanik Destruktiv Kommandö, kurz MDK, die es aber schon lange nicht mehr gibt. Er bestellt eine Lage und wir stoßen an. Aber auf was? Auf alte Zeiten? Auf die Revolution? Egal, ist ja nur Schnaps.
    Ich lasse mir von Bommi Baumann sein Buch signieren. »Was soll ick denn reinschreiben?«, fragt er. »Was du willst«, sage
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