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Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen

Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen

Titel: Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
Autoren: Peter O'Donnell
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jungen Frau, die das
Netz
leitete. Sie hatten eine sonderbare Beziehung zueinander, die ein Außenstehender kaum begreifen konnte, Garcia jedoch freute sich eigenartigerweise darüber.
    Er fuhr fort: »Also, was ist denn nun deine Meinung über den Akademiker?«
    Willie bog auf den Parkplatz hinter dem Bankgebäude ein, fuhr den Wagen in den reservierten Einstellplatz und schaltete die Zündung ab. Garcia sprach von Hugh Oberon, einem Mann, den der Chef des Riviera-Gebietes zur Rekrutierung vorgeschlagen hatte. Oberon kam aus einer guten englisch-irischen Familie und hatte in Oxford ein Studium über lebende Fremdsprachen abgeschlossen. In seiner Akte fand sich der Hinweis, daß er behauptete, während seiner Studienzeit eine regelrechte Verachtung für Akademiker entwickelt zu haben. Nach der Universität hatte er sich lange Urlaub genommen und war auf ausgedehnte Reisen gegangen, auf denen er auch die Überzeugung gewonnen hatte, daß eine Verbrecherlaufbahn der einzige Beruf war, der ihm sowohl genügend materielle Sicherheit als auch den Reiz des Abenteuers verschaffen würde, an dem er inzwischen Geschmack gefunden hatte. In der Hauptsache betätigte er sich als Dieb. Er hatte allein und auch zusammen mit Komplicen gearbeitet, einmal hatte er auch selbst eine kleine Organisation auf die Beine gestellt, die allerdings schon bei ihrer zweiten Aktion gefaßt worden war, und Hugh Oberon war mit einem Jahr in einem französischen Gefängnis noch gut davongekommen. Nach seiner Freilassung hatte er ohne feste Bindung für jeden gearbeitet, der ihn brauchen konnte, bis er dann als möglicher Mitarbeiter für das
Netz
ausgesucht und nach Tanger geschickt wurde.
    Willie sagte: »Aufgrund der Testergebnisse ist er der beste Mann, den wir je gehabt haben. Er besitzt diese seltenen Qualitäten eines brillanten Allround-Mannes. Im Nahkampf hab ich ihn mir selbst vorgenommen, und ich war danach ziemlich erleichtert, daß mein Kopf noch auf der richtigen Stelle saß.«
    »Ich glaube auch, daß er etwas Besonderes ist«, stimmte ihm Garcia zu. »Er könnte ein zweiter Willie Garvin werden.«
    Willie seufzte. »Vielleicht kann ich ihn deshalb nicht ausstehen.« Garcia winkte ab. »Nein. Ich habe gerade etwas Falsches gesagt. Er hätte ein zweiter Garvin werden können, aber dafür ist es jetzt zu spät. Er hat den falschen Weg eingeschlagen.«
    Garcia setzte zu einer zweifelnden Geste an. »Jetzt ist es zu spät. Was bei dir Selbstvertrauen war, ist bei ihm Eitelkeit. Wo du Urteilsvermögen zeigst, ist er nur arrogant. Und wenn du Mam’selle gegenüber Respekt hast, so empfindet er für sie nur Neid. Ich glaube, er gehört zu dieser neuen Art von Verbrechern, von denen du gerade gesprochen hast, Willie. Er ist ganz wild auf seine Pistole und sein Messer und vielleicht auch auf Bomben. Der ist wirklich bösartig, dieser Oberon, trotz seines netten Lächelns und seiner herzlichen Art.«
    »Dann wird er sich wohl unserem Stil nicht anpassen können.«
    »Auf keinen Fall. Die ruhigen Unternehmungen, die auf lange Sicht geplant sind und für keine Schlagzeilen sorgen, sind nichts für Typen wie ihn.«
    »Die Prinzessin hat ja gesagt, daß wir ab jetzt nur noch aufräumen sollen. Dabei könnte unser Akademiker unter Umständen ganz nützlich sein, oder?«
    »Auch das Aufräumen müssen wir auf unsere Art besorgen, Willie.«
    »Ich will nicht mit dir streiten. Der Vogel gehört dir, alter Freund. Wirst du Mam’selle erzählen, wie du über ihn denkst?«
    »Das habe ich schon getan. Sie will ihn noch einmal unter die Lupe nehmen, bevor sie die Entscheidung trifft, ob sie ihn jetzt gleich wegschicken oder ihn seine Zeit mit irgendeiner Aufgabe abarbeiten lassen soll, wo er keinen Schaden anrichten kann. Deswegen ist er auch für heute vormittag zu unserer Konferenz bestellt worden.«
    »Gute Idee.« Willie sah auf die Uhr. »Wird schon Zeit, daß wir raufgehen.« Sie stiegen aus dem Wagen und gingen hinüber zum Privateingang der Bank, einer gut gesicherten Tür. Willie Garvin fühlte sein Herz ein wenig schneller schlagen. Seit sechs Jahren hatte er Modesty Blaise nun beinahe täglich gesehen, manchmal nur kurz, manchmal längere Zeit; und gelegentlich, während einer Aktion, waren sie auch ganze Tage und Nächte zusammen gewesen. Trotzdem empfand er jedesmal vor einem Wiedersehen immer noch ein prickelndes Gefühl der Vorfreude.
    Es würde alles ganz anders sein, wenn das
Netz
aufgelöst war, dachte er mit leichtem Unbehagen. Es
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