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Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman

Titel: Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
Autoren: Peter O'Donnell
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durchgab, lachte sie, rief den Flugplatz in Biarritz Anglet an und beschloss, am selben Tag zu Mittag abzufliegen. Dann ging sie durch den stillen Park des großen Hauses, um sich bei ihrer Gastgeberin Consuela zu verabschieden. Diese stand im Schatten der hohen Mauer des Pelota-Platzes und schaute einem harten Spiel zwischen ihrem Mann Etienne und Willie Garvin zu.
    Das Wetter war während des ganzen Fluges freundlich, und kurz nach halb sechs setzte sie die Piper Comanche in Casablanca Anfa auf. Für sie waren das heimatliche Gefilde, denn sie hatte das ›Netz‹, wie es später genannt wurde, jene kriminelle Organisation, die sie als junges Mädchen aus dem Nichts aufgebaut hatte, von Tanger aus geleitet. Immer noch verbrachte sie jedes Jahr eine Zeit lang in ihrem Haus auf dem Hügel westlich von Tanger, von dem man über die Straße von Gibraltar blickte.
    Vor dem Abflug hatte sie ihren Diener Moulay angerufen und ein Auto auf den Flugplatz bestellt, sodass sie bereits um sieben Uhr im Hotel Ayachi war – einem bescheidenen vierstöckigen Gebäude, sauber und ohne besondere Merkmale, zur Hälfte belegt und mit einer Garage im Tiefgeschoss. Der Hoteldirektor wusste nichts von Dr. Giles Pennyfeather, versicherte aber, dass er sich glücklich schätze, Miss Modesty Blaise als seinen Hotelgast begrüßen zu dürfen. Seine Nervosität und ein gelegentlicher wissender Blick sagten ihr, dass er sie vom Hörensagen kannte, vielleicht, weil Moulay ihn angerufen und gebeten hatte, sich entsprechend um sie zu kümmern.
    Dass Giles noch nicht angekommen war, erstaunte sie nicht. Ohne unvorhergesehenen Zwischenfall vom Tschad nach Casablanca zu reisen, war beinahe unmöglich, aber Giles war ein unverbesserlicher Optimist und hatte bestimmt keine Verzögerungen einkalkuliert. Sie wählte ein Zimmer im Erdgeschoss, weil es das größte war und man mit Giles viel Platz haben musste. Außerdem gehörte er zu jener Sorte von Männern, die nur in einen Aufzug einsteigen müssen, damit er zwischen zwei Stockwerken stecken bleibt.
    Das erste Beben kam, als sie nach der Dusche ihren Bademantel anzog. Einen Augenblick glaubte sie, dass etwas in der Wasserleitung die Vibration verursacht habe, aber der Lärm schwoll an, dröhnte in ihren Ohren, und das ganze Gebäude begann zu zittern. Eine Weile stand sie wie erstarrt da, weil sich ihr Innerstes gegen die Vorstellung wehrte, dass sich die Erde unter ihr öffnen könne. Dann kam das Begreifen, gefolgt von Ärger, dass ihre Reaktion so langsam war.
    Als versuche es zu gehen, wackelte das Bett auf den Beinen hin und her und bewegte sich langsam über den Terrazzoboden auf sie zu. Eine eisige Angst unterdrückend, ließ sie den Badeschwamm fallen, packte eine Kante und drehte das Bett mit einem einzigen Schwung um. Als sie sich zu Boden fallen ließ, um unter dem umgedrehten Bett Schutz zu suchen, hörten der Lärm und das Vibrieren allmählich auf. Innerhalb von zehn Sekunden war alles ruhig. Einen endlosen Moment lang herrschte unheimliche Stille, dann hörte man klagende Stimmen. Vermutlich kamen sie aus den Aufzügen. Innerhalb des Gebäudes schien nichts passiert zu sein, aber vielleicht hatte das Beben einen oder beide Fahrstühle zwischen den Stockwerken stecken bleiben lassen.
    Noch immer auf den Knien, den Kopf lauschend zur Seite gebeugt, atmete sie tief und gleichmäßig, während sie überlegte, was zu tun sei. Vielleicht folgten weitere Beben, stärker oder schwächer als das erste. Sie konnten innerhalb von Sekunden kommen oder erst nach Stunden; in dieser Gegend musste man jedenfalls auf das Schlimmste gefasst sein. Agadir, wo zwanzigtausend Menschen ums Leben gekommen waren, als die Stadt von zwei Beben zerstört wurde, lag nur dreihundert Kilometer weiter südlich. Brände und eine riesige Sturzflut hatten einen Teil der Opfer gefordert, aber die meisten Menschen waren unter den Trümmerhaufen gestorben. Es war also am besten, das Haus möglichst rasch zu verlassen.
    Sie stand auf, ging zum Toilettentisch, sah nach, ob Pass und Reiseschecks in der Handtasche waren, und hängte die Tasche am Riemen um den Hals. Sie hatte eben Sandalen angezogen und Bluse und Jeans in die Hand genommen, als das zweite Beben kam. Dieses Mal steigerte es sich nicht allmählich, sondern kam plötzlich wie der Einschlag einer Bombe. Während sich weit unter der Erdoberfläche Millionen Tonnen von Fels gegeneinander verschoben, erfüllte ein gewaltiges Dröhnen die Luft. Das Hotel Ayachi
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