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Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Titel: Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
Autoren: Peter O'Donnell
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Wellental glitt, dann verdeckte es, als es sich wieder gerade richtete, einen Teil des Himmels.
    Der kleine Mop war jetzt in Modestys Hand. Wieder erschien die Rückenflosse, bewegte sich langsamer, kam näher. Modesty holte tief Atem und zwang sich zu warten, während sie, überzeugt, daß es keine zweite Chance geben würde, alle Kräfte auf die nächste Bewegung konzentrierte.
    Sie preßte den Handrücken gegen den Mund und sah die Hand an. Kein Blut. Ihre Lippen waren zwar wund von der Leine, aber zum Glück nicht blutig. Jede Spur von Blut hätte einen raschen, wütenden Angriff ausgelöst. Keuchend sagte sie: «Hören Sie zu. Wenn sich das Boot auf unsere Seite neigt und uns hochzieht, werde ich Sie an Bord hieven. Nehmen Sie alle Kraft zusammen, wenn ich das Zeichen gebe. Verstanden?»
    Sein Gesicht stieß an ihren Arm, und sie hörte ihn ein Wort krächzen: «Ja.» Hinter drei Wellenkämmen sah sie die Rückenflosse, die auf das Boot zusteuerte.
    Dann verschwand sie. Sie schrie: «Warten!» und tauchte; die Maske ermöglichte ihr eine klare Sicht. Der weiße Hai kam auf sie zu. Sie stieß sich leicht vom Schiffsrumpf ab, hielt mit einer Hand die Rettungsleine und wandte sich dem Hai voll zu. Mit dem Mop schlug sie auf den flachen Teil des Kopfes, knapp über der Nase; der Bursche machte kehrt.
    Der große Körper glitt lautlos fort und begann in einer Entfernung von zehn bis fünfzehn Metern auf und ab zu schwimmen, jede Wendung mit der weißen Schwanzspitze betonend. Modesty beobachtete ihn, während sie mit zwei schnellen Tempi zur Jacht zurückschwamm, dann hob sie den Kopf aus dem Wasser, griff nach der höchsten Leitersprosse und sagte mit gepreßter Stimme: «Fertigmachen, uns bleibt wenig Zeit.» Der Hai war durch die unerwartete Reaktion vertrieben worden, aber er würde bald zurückkehren.
    Eine Welle hob die
Wasp
in die Höhe. Modesty warf den Mop an Bord, schob einen Arm zwischen die Beine des Mannes und befahl: «Los!» Als das Boot wegdrängte, preßte sie sich mit aller Kraft gegen den Schiffsrumpf, um den Mann mit der Bewegung des Bootes hochzuheben … hinauf, hinauf, die Muskeln wehrten sich, der Mund war zu einem lauten Schrei geöffnet, noch mehr Kraft, jetzt, jetzt, jetzt! Und sein Gewicht war fort. Sie hörte einen Aufschrei, als er auf den Boden des Vorraums fiel.
    Die Jacht schwankte über ihr, und sie griff wieder nach der Leiter, wartete lange Sekunden bebender Angst, bis das Boot von der nächsten Welle emporgehoben wurde, denn unter dem bauchigen Rumpf war sie hilflos. Als das Boot sich neigte, griff sie nach dem Dollbord und schwang sich mit aller Kraft nach oben.
    Der Mann hatte sich auf die Knie gewälzt und streckte in dem schwachen Versuch, ihr zu helfen, einen Arm aus. Sie lehnte sich nach vorn, erwischte eine Schot und zog ihre Beine in einer letzten Schrecksekunde aus dem Wasser, bevor sie sich herumdrehte und auf das rauhe Deck rollte.
    Langsam nahm sie die Maske ab und blieb lange Zeit mit gebeugtem Kopf und klappernden Zähnen auf allen vieren hocken, während sie sich nochmals von der Angst packen ließ, um sie endgültig loszuwerden. Der Mann lag ausgestreckt vor ihr, den von Blasen bedeckten Arm über die geschwollenen Lider gelegt. Einen Augenblick später bewegten sich seine aufgesprungenen Lippen und er sagte heiser, aber deutlich: «Danke … danke sehr.»
    Sie lachte müde und hob den Kopf, um auf ihn herabzusehen.
    «Nicht der Rede wert.»
    Er nahm den Arm vom Gesicht und schnitt eine Grimasse, die entfernt einem Lächeln glich. Die schmalen Augen wurden starr, und er blickte sie unverwandt an. Langsam hob er die Hand zu ihrem Kinn und drehte sanft ihren Kopf zur Seite, dann fiel die Hand herab, aber er blickte sie immer noch prüfend an. «Bitte … wer …?»
    «Modesty Blaise», sagte sie und setzte sich auf die Fersen. «Um Himmels willen, woher kommen Sie?»
    «Luke … Lucian Fletcher. Ich wohne im … im
Dragonara
. Kann mich nicht gut erinnern … was geschah.»
    Die Augen schlossen sich und der Kopf fiel herab.
    Sie starrte ihn eine volle halbe Minute an, studierte seine Gesichtszüge, wiederholte im Geist, was er soeben gesagt hatte, und versuchte aus diesen Fragmenten klug zu werden.
    Endlich erhob sie sich und löste die Rettungsleine von der Taille. Es war ziemlich mühsam, den Mann aus der Sonne in die Kajüte zu schleppen, und sobald sie ihren ermatteten Körper gezwungen hatte, ihn in die Koje zu heben, ließ sie ihn liegen und ging zum
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