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Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel

Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel

Titel: Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
Autoren: Peter O'Donnell
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umgebenes altes Gebäude. Die gleichfalls gemalte Nonnenprozession, welche aus einem Torbogen hervorkam, und die Glockenklänge, die sich nun in die Musik mischten, wiesen das Bauwerk als Kloster aus.
    Nun traten aus den Kulissen zwei Marionetten im Nonnenhabit, die Köpfe im Gebet gebeugt. Die Musik wurde leiser, und die Nonnen begannen zu singen.
    Immer wieder mußte Bowker die stimmliche Leistung der Seffs bewundern, sobald sie mit ihren Marionetten agierten. Seffs sonst eher blecherne Stimme konnte die Höhe und Weichheit einer Frauenstimme erreichen, aber auch die tieferen Register eines männlichen Basses anschlagen, wie er sie im normalen Gespräch niemals verwendete. Auch Regina hatte einen beträchtlichen Stimmumfang. Oftmals konnte Bowker nicht sagen, wer von den beiden jetzt sprach.
    Nun trat ein Mann auf, ein junger Neger in zerlumpter Kleidung. Er blieb stumm, begann aber zu tanzen und umkreiste die beiden erschrockenen Nonnen mit lasziven Bewegungen. Bowker mußte sehr genau hinsehen, bis er erkannte, welche der beiden Nonnen jetzt an der unsichtbaren Schiene über der Bühne hing, weil Seff oder Regina beide Hände brauchten, um die zwei Führungskreuze zu bedienen, deren zehn Fäden den Neger bewegten.
    Die meisten Puppenspieler verwenden nur sieben Schnüre, aber die Seffs waren Meister ihres Fachs und spielten so, daß man die Schnüre bald vergaß und vermeinte, die Marionetten wären lebendig. Das lag zum Großteil an den Puppen selbst. Seff schnitzte sie eigenhändig und verlieh ihnen Ausdruck, Regina verfertigte die Kostüme. Manche waren hinreißend schön, manche abstoßend häßlich. Manche trugen den Ausdruck der Unschuld, manche den der Bosheit. Aber jede war eine Persönlichkeit und zog den Beschauer sofort in ihren Bann. Das Erstaunlichste jedoch war, daß eine leichte Drehung und eine winzige Änderung der Gestik genügte, um den Charakter solch einer Marionette in sein Gegenteil zu verwandeln.
    Vielleicht lag es bloß an einer leichten Wendung des Kopfes, daß ein bisher unschuldig wirkendes Gesicht plötzlich den Ausdruck der Lüsternheit annahm. Der wahrscheinlichere Grund lag aber wohl in der raffinierten Schnitzweise des Profils, das je nach Drehung einen anderen Ausdruck erhielt. Bowker wußte nicht, wie es zustande kam. Seff ließ niemanden an seine Marionetten heran.
    Jetzt hatte eine der Nonnen ihre erschrockene Pose nach und nach geändert und verfolgte den Tanz des Negers mit einem Ausdruck von Faszination, der an Hypnose erinnerte. Die andere trat zu ihr und zupfte sie bittend am Arm, doch die Bezauberte rührte sich nicht.
    Der Neger hob nun an, zu seinem Tanz mit tiefer, sinnlicher Stimme zu singen. Es war die Melodie eines Spirituals, doch mit obszönem und aufforderndem Text. Er zerrte am Habit, an Haube und Schleier der Nonne, brachte sie zu Fall und ging selber zu Boden.
    Sie wirkte jung und schön in ihrem langen weißen Hemd. Ihre Gefährtin wandte sich ab, fiel auf die Knie, neigte das Haupt und faltete die Hände.
    Indessen begann die andere sich zu regen. Langsam zunächst, dann mit mehr und mehr Hingabe, tanzte sie den Tanz des Negers mit. So verschwanden die beiden in den Kulissen. Die kniende Gestalt schwankte wie in einer Agonie der Verzweiflung und erstarrte dann.
    Jetzt änderte sich das Tempo der Musik. Der Neger und seine Nonne erschienen wieder und tanzten in wilder Raserei. Sie trug jetzt kein Hemd mehr und war nackt wie nun auch der Neger. Beide Puppen waren mit einem hautfarbenen Trikot überzogen, das die Gelenke verbarg und den Anschein der Nacktheit hervorrief. Die Geschlechtsmerkmale waren deutlich herausgearbeitet. Die Tanzende erstarrte, blieb abwartend. Langsam umkreiste sie der Neger, wobei er ihr näher und näher kam. Sein Gesang wurde dabei nur noch unzüchtiger. Die betende Nonne hob wehklagend das Haupt.
    Bowker beugte sich vor, um Luzifer beobachten zu können. Er bemerkte einen intensiven, doch melancholischen Ausdruck in dessen blauen Augen. Befriedigt lehnte der Arzt sich zurück. Die Nummer zog also nach wie vor; sie hatte Luzifer schon immer das größte Vergnügen bereitet. Vielleicht war Vergnügen nicht das richtige Wort; zutreffender wäre gewesen, zu sagen, daß sie sein Leidensverlangen am besten befriedigte.
    Denn die Sucht zu leiden war ein Teil jener immerwährenden Last, die sein Wahn ihm auferlegte. Das Stück zeigte gleichnishaft und blasphemisch die Korrumpierung des Guten durch das Böse, zeigte, wie das Böse
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