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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten
Autoren: Hans Dominik
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Mann aus, viel jünger als auf der »Usakama«! Auch hatte er eine ganz andere Haartracht. Sogar die Farbe des Haares kam Gransfeld verändert vor. Hätte er sich den Holländer damals bei dem Auftritt mit dem kleinen Steward nicht so genau angesehen, er würde ihn trotz seiner guten Augen nicht wiedererkannt haben. Eigenartig war diese Veränderung des Äußeren und so geschickt ausgeführt, daß Gransfeld nicht einmal sagen konnte, was eigentlich echt war, jenes ältere Aussehen an Bord oder diese verjüngte Erscheinung hier. Zweifellos war der Holländer in den wenigen seit der Landung des Schiffes verflossenen Stunden auch beträchtlich dünner geworden. Als einen etwas beleibten Herrn in mittleren Jahren hatte Gransfeld ihn von der »Usakama« her in der Erinnerung, als ein jüngerer, schlanker Mann tauchte er hier auf. Bemerkenswert war auch der andere, mit dem er zusammensaß. Ein schwarzer Spitzbart umrahmte das dunkelgelbe, schmale Gesicht. Darin saß eine gebogene Adlernase und darüber ein Paar brennende Augen. Fast blauschwarz war das Haar.
    Ein eifriges Gespräch war zwischen den beiden im Gange. Mitternacht war bereits vorüber, als sie sich erhoben und in die Empfangshalle gingen. In kurzer Entfernung folgte ihnen Gransfeld und sah, wie der Pförtner ihnen ihre Zimmerschlüssel aushändigte. Während sie zum Lift gingen, blieb Gransfeld vor der schwarzen Tafel stehen, auf der die Namen der Hotelgäste angeschrieben standen. Er schaute auf die leeren Haken, von denen der Pförtner eben die Schlüssel abgenommen hatte, und auf die Namen daneben. Konstantinos Megastopoulos, Smyrna, las er an der einen Stelle. Aha, ein Grieche aus Kleinasien! Van der Meeren, Rotterdam, stand an der andern.
    Gransfeld krauste die Stirn und pfiff durch die Zähne. Oho, mein Junge, du veränderst also nicht nur dein Aussehen, du wechselst auch deinen Namen! Auch da weiß man nicht, was echt und unecht ist; vielleicht ist alles beides falsch. Er trat an das Pult, um sich seinen Schlüssel zu holen. Der Pförtner überreichte ihm außerdem noch ein beschriebenes Blatt, eine telephonische Mitteilung vom Hauptpostamt in Port Said. Seine Depesche nach Syut sei unbestellbar, der Adressat verstorben. —
    Als die Sonne des nächsten Tages aufging, saß Doktor Gransfeld schon seit einer Stunde im Schnellzug, der ihn nach Süden hin, nilaufwärts führte. Als sie tief im Westen stand, verließ er die Eisenbahn in Syut.
    Ein freier Platz lag vor dem Bahnhof. Vergeblich suchten verstaubte Tamariskenboskette den Anschein von Parkanlagen vorzutäuschen. Dazwischen hielten ein paar Mietautos, die früher in Europa bessere Tage gesehen hatten. »Syut wird Weltstadt«, murmelte Gransfeld vor sich hin, obwohl ihm nicht zum Scherzen zumute war.
    Durch gewundene Straßen und über gestreckte Alleen brachte der Kraftwagen ihn zum Hause seines Oheims. Das untere Stockwerk war erleuchtet. Nach einigem Klopfen und Klingeln öffnete sich das Tor, und Himati kam an die Gartentür. Elend und kummervoll sah der Boy aus. Während Gransfeld dem Inder in das Haus folgte, holte er die Einzelheiten über das traurige Ereignis brockenweise aus ihm heraus. Am vorgestrigen Abend war der gute Sahib eingeschlafen. Vor zwei Stunden war Mister Mac Kennah, der Arzt der Irrigation Company, von Assuan gekommen. Er war noch bei dem Toten, um die letzten Förmlichkeiten zu erledigen.
    Gransfeld traf den Arzt im Schlafgemach. Ergriffen stand er vor dem Toten, der schon in den Sarg gebettet war. Noch ein letzter Blick auf die bleichen Züge, dann wurde der Deckel aufgelegt und verschraubt.
    George Gransfield sollte im Park des Krafthauses beigesetzt werden. Dort, wo einst unter seiner Leitung die riesigen Werke entstanden waren – so hatte er es verfügt –, wollte er zum letzten Schlummer gebettet sein.
    Gransfeld ging mit dem englischen Arzt in das Wohnzimmer.
    »Ein trauriger Fall, Mister Gransfeld, der plötzliche Tod Ihres Oheims.«
    Gransfeld nickte. »In der Tat, Sir. Ich hatte nicht erwartet, an ein Totenbett zu kommen, obwohl – schwer leidend war mein Onkel seit Jahren.«
    »Er war es. Aber – er brauchte noch nicht zu sterben; den schlimmen Ausgang hat er durch den regelmäßigen Gebrauch von Betäubungsmitteln selbst beschleunigt.«
    Gransfeld blickte erstaunt auf. »Ich verstehe nicht. Wie meinen Sie das?«
    »Well, Mister Gransfeld, zu Ihnen als Arzt kann ich offen sprechen. Der Tod Ihres Onkels ist durch die übergroße Dosis eines Betäubungsmittels
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