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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten
Autoren: Hans Dominik
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Doktor Lüders ein. »Jeder Europäer, der jahrzehntelang in subtropischem Klima lebt, hat mehr oder weniger einen Knacks weg. Wenn Ihr Onkel noch etwas von seinem Leben haben will, sollte er die Irrigation Company sich selbst überlassen und schleunigst nach Deutschland zurückkehren.«
    »Das wird schwerhalten, Kollege. Er hängt mit Leib und Seele an seinem Beruf. Aber ich will versuchen, in diesem Sinne auf ihn zu wirken.«
    Sie waren in ihrer Unterhaltung bis zum Heck des Schiffes gekommen. Hier war ein Sonnensegel gespannt, in dessen Schatten ein Teil der dienstfreien Schiffsbesatzung Ruhe und Erfrischung suchte.
    »Il dolce far niente, das süße Nichtstun«, meinte Doktor Lüders, »hier lernen sie’s alle. Nicht nur die Levantiner und Griechen, die wir unter der Besatzung haben, auch unsere Hamburger geben sich dieser Beschäftigung mit lobenswerter Ausdauer hin. Sehen Sie mal unsern kleinen Steward da, den Rudi! Ein Berliner Junge übrigens, ein fixes Kerlchen. Macht schon seine achte Reise mit der ›Usakama‹. Der hat sich da wie ein Igel hinter dem Rettungsboot zusammengerollt. Geschickt, wie er sich den Platz gesucht hat! Liegt im Bootschatten und hat das bißchen Seebrise aus erster Hand. – Na, Rudi, mein Sohn, bald wird die Glocke schlagen, die dich zu neuen Taten ruft! – Sein Chef Rasati, der Obersteward, ist übrigens ein ziemlich brutaler Kerl.« Lüders wandte sich wieder an Gransfeld. »Der wird sacksiedegrob, wenn seine Leute nicht pünktlich zum Dienst kommen. Er ist übrigens auch ein Levantiner, aber in Zug hält er seine Kolonne, das muß der Neid ihm lassen.«
    Sie waren an dem letzten Rettungsboot vorbei bis an die Heckreling gekommen und blickten eine Weile auf das schaumige Schraubenwasser, das sich kilometerweit auf dem ruhigen blauen Seespiegel verfolgen ließ.
    »Hier könnten wir Haie sehen, wenn welche da wären«, meinte Doktor Lüders. »Das Viehzeug ist gefräßig; es bleibt immer hinter dem Schiff, um jeden Abfall zu erwischen, den der Koch über Bord wirft.«
    »Weiter, Kollege! Unsere tausend Schritte sind noch nicht um.« Gransfeld suchte zur Fortsetzung des Spazierganges zu ermuntern.
    Doch Lüders lehnte sich behaglich mit dem Rücken an den Stock der Heckflagge. »Einen Augenblick noch! In zwei Minuten muß die Glocke die neue Wache schlagen. Ich möchte gern sehen, wie die Leutchen hier mobil werden.«
    So blieben sie stehen. Außer Gransfeld befanden sich nur noch zwei Fahrgäste der ersten Klasse auf dem Achterdeck. In ein eifriges Gespräch vertieft standen sie dicht neben dem letzten Backbordrettungsboot. Gransfeld warf einen Blick dorthin und fragte Lüders: »Was sind das für Leute? Die sind mir schon aufgefallen.«
    »Fahrgäste wie Sie und viele andere. Nur die Schiffsliste kennt ›Nam und Art‹; aus der kann ich’s Ihnen verraten. Der Lange mit der Schirmmütze ist ein Schotte, ein Mister Morton aus Edinburg, der andere, kleinere, namens van Holsten, stammt irgendwoher aus dem Lande der Mynheers. Engländer, Holländer, Levantiner und so weiter, wir führen alles an Bord, was Sie wünschen. Wenn ich mich nicht irre, habe ich die beiden schon einmal auf einer früheren Fahrt an Bord der ›Wadoni‹ gesehen.«
    »Merkwürdig!« warf Gransfeld ein.
    »Durchaus nicht, Kollege. Gewisse Leute werden Sie immer wieder auf bestimmten Schiffsstrecken treffen. Das hängt wohl mit ihren Geschäften zusammen.«
    In diesem Augenblick schrillte die elektrische Glocke. Sofort sprang Rudi, der junge Steward, der unmittelbar neben den beiden Fahrgästen gelegen hatte, auf und wollte zum Dienst eilen. Erst jetzt, wie erschreckt, bemerkten diese seine Anwesenheit. Der Holländer packte ihn am Rockärmel und fuhr ihn grob an: »Qu’est-ce que vous avez fait ici?«
    Während der Gefragte noch mit der Antwort zögerte, mischte sich der lange Schotte dazwischen und wiederholte die Frage: »What did you do here?«
    Rudi antwortete englisch: »Ich habe hier geschlafen und höre eben das Signal, daß ich zum Dienst kommen muß.«
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Ich verstand nicht, was der andere Herr auf französisch sagte«, entschuldigte sich Rudi und wollte weitergehen.
    Wütend sprang der Schotte ihm nach und versetzte ihm einen Schlag, der ihn fast zu Fall brachte. Schreck und Entrüstung erpreßten dem Getroffenen einen lauten Schrei. Augenblicklich hatte Rudi sich umgedreht, die Fäuste geballt, die Arme angezogen, bereit, jedem weiteren Angriff auf
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