Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
Vom Netzwerk:
Von wegen! Nachdem sie mich entkleidet hatten, sperrten sie mich in einen Raum ein, halb Knastzelle, halb Krankenzimmer, an der Decke brannte eine trübe Lampe. Befahlen mir, mich hinzulegen und zu schlafen. Vergebens versuchte ich, irgendwas zu erklären, Geld für meine Freilassung anzubieten. Gefasel eines Betrunkenen. Gegen Morgen hämmerte ich mit aller Kraft gegen die mit Eisenblech beschlagene Tür. – Lasst mich auf die Toilette! Ich randalierte so lange, bis ein stämmiger Sergeant die Tür öffnete und mir einen leichten Hieb versetzte, eher angedeutet, aber mir blieb dennoch für einen Augenblick die Luft weg. Ich wankte zur Toilette am Ende des Korridors, und nun versprach ich ausgerechnet diesem Schläger hundert Rubel, wenn er mich gehen ließe. Der grinste nur, dann holte er aus und schlug mit aller Kraft zu. Gut, dass ich ihm noch ausweichen konnte, ich hätte das Bewusstsein verloren. Was für ein Elend, was für eine Misere! Jede Minute wurde ich nüchterner und begann zu begreifen, wohin ich geraten war. Das System wird funktionieren und Unsereiner endgültig unter die Räder geraten. So kam es auch. In der zweiten Tageshälfte wurden wir einzeln vorgeladen, die einen kehrten zurück, die anderen wurden entlassen. Durch ein vergittertes, aber unverglastes Fenster sahen wir, wie glücklich und erleichtert sie den gelben, in der Zarenzeit gemauerten Gefängnistrakt verließen, in die Freiheit , dorthin, wo das Bier schäumt. Nur ein paar Schritte waren es. Frust befiel mich, grimmiger Frust. Ich zündete mir eine Zigarette nach der anderen an, gut, dass wenigstens die mir noch geblieben waren. Schließlich wurde auch ich vorgeladen. Wegen der Lieder auf dem Leninprospekt gab es keinerlei Vorwürfe. Mit wem ich getrunken hätte? Ich zuckte mit den Schultern. Meinen Sie, ich kenne die? Gut, lassen wir auch das. Was tust du? Arbeitest du, gehst in die Lehre? Akademischer Urlaub, brachte ich nur heraus. – Lassen Sie mich gehen, für mich kann das hier traurig enden, Sie verstehen doch, wissen doch, ein Student, wem passiert es nicht mal!
    Traurig endet es schon jetzt, Junge ! Wie sie alle dieses Wort mochten. Der Hauptmann, wieder ein Hauptmann, sah mich düster an.
    Meinst du, es ist schwer, so etwas herauszufinden, wenn man wirklich will? Uns ist es gelungen. Das Militärkommissariat sucht dich, war dir bereits auf den Fersen. Das ist schon nicht mehr unsere, das ist eine allgemeine Angelegenheit!
    Er hätte mich ohne weiteres entlassen können, hatte aber bereits angerufen und sich informiert. Er hätte überhaupt nicht anzurufen brauchen, niemand hätte ihn deswegen zur Rechenschaft gezogen. Ein Student in einer Ausnüchterungsanstalt war schließlich keine Einzelerscheinung. Aber er hatte bereits zum Hörer gegriffen und alles erfahren. Es gab kein Entrinnen mehr.
    Sie werden gleich kommen und dich abholen. Er befahl dem Sergeanten, mich in das vergitterte Zimmer zurückzubringen, wo inzwischen einige Burschen mit dick geschwollenen Augen saßen, ein dürrer, zitternder Alter und ein in der Altstadt recht bekannter Dichter. Ich musste sie ihrem Schicksal überlassen, denn inzwischen war ein graugrüner GAS , ein Armee-Kübelwagen, in den Hof eingefahren – für mich! Angst presste mir den Unterleib zusammen, Stirn und Handflächen bedeckten sich mit Schweiß. Nichts konnte ich tun, ich hatte einfach Angst, eine verdammte Angst, und die ließ alles noch widerlicher erscheinen, als es in Wirklichkeit war. Und da standen sie schon vor mir. Keine MP-Schützen, nur ein Leutnant und sein Fahrer. Keine Handschellen, der Offizier bot mir sogar eine Zigarette an. Und im Kommissariat beschimpften sie mich auch nur pflichtgemäß und aus Gewohnheit. Der Offizier, diesmal ein Major, redete ganz und gar menschlich mit mir.
    Hast es gerade noch hingebogen, junger Mann! – Wieder dasselbe! – Da gibt es einen Oberst, der sich aus irgendeinem Grund sehr um dich sorgt. Persönlich! Der hätte dich eingelocht, verstehst du? Du verstehst nicht …? Ins Gefängnis hätte der dich gebracht, wirklich! Na gut, bringt ihn weg.
    Sie beförderten mich mit demselben Wagen in die Tatarenstraße, wo es einen großen Sammelpunkt für Rekruten gab. Die Einberufungszeit war im Prinzip beendet, es blieben noch ein oder zwei Partien. Das war’s. Amen. Ich spürte ein solches Gefühl der Erleichterung, dass ich zu lachen begann. Dumm, klar, aber so war es. Auf der dreistöckigen Liege streckte ich mich aus, nachdem ich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher