Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MK Boeckelberg

MK Boeckelberg

Titel: MK Boeckelberg
Autoren: Arnold Kuesters
Vom Netzwerk:
schnell. Wenn er schon seinen Absender nicht kannte, so sollte wenigstens der Text vernichtet werden. Vernichtet, bevor der Zettel ihn, den nach außen so starken Abwehrspieler Alexander Rauh, vernichtete.
    Er fuhr herum. Paul Hefter hatte leise an die Kabinentür geklopft.
    »Bist du bescheuert? Du hast mich zu Tode erschreckt!« Alexander warf ärgerlich sein Handtuch über seinen Schoß und den weißen Zettel. Sein Herz raste in seiner Brust.
    »Sorry, wollte dich nicht erschrecken. Ich wollte nur mal nachfragen, wann du mir deine Autogrammkarten zum Unterschreiben bringst. Die von den anderen habe ich schon zu Hause.« Paul Hefter grinste hinter den fleckigen Gläsern seines Kassengestells und trat nun ganz in die Mannschaftskabine. Dabei rieb er sich mit einer Hand über die speckige Trainingsjacke, die ihm irgendwann aus einer alten Kollektion des früheren Ausrüsters zugefallen war und die er seither nahezu täglich trug.
    Der dunkelhaarige und schwammig wirkende Hefter war so etwas wie das Faktotum des Vereins. Hefter kümmerte sich um all die vielen kleinen Dinge, die im sonst großen Bundesligabetrieb liegen blieben. Er bekam dafür kein Geld. Aber allein schon, dass er sich ungehindert auf dem Clubgelände und in den Kabinen bewegen durfte, war ihm Lohn genug.
    Die Spieler mochten Hefter nicht besonders. In Wahrheit machten sie sich über ihn und seine Affenliebe zum Verein lustig. Gleichzeitig benutzten sie ihn aber, um sich so lästiger Pflichten zu entledigen wie das Unterschreiben von Autogrammkarten. Hefter sah nicht so aus, aber er war ein As im Fälschen der Autogramme. Und er war mächtig stolz darauf, die Unterschrift jedes Spielers täuschend echt nachmachen zu können. Es gab Tage, da beschrieb Hefter an seinem Küchentisch stundenlang mit einem dicken Filzstift ganze Stapel von Autogrammkarten.
    »Pass auf, Paul, ich bringe sie dir zum nächsten Training mit. Du musst dich aber beeilen, ich habe meinen Vorrat schon aufgebraucht.« Alexander fühlte, wie sich der Zettel in seine Schenkel brannte.
    Hefter sah ihn stumm an. Seine Brillengläser glänzten fettig.
    »Is noch was? Ich will duschen.«
    Hefter grinste wieder. »Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist mit dir.«
    »Was soll sein?« Alexander sah Hefter misstrauisch an. Was sollte die Frage? Wusste Hefter etwa von den Zetteln? »Ich bin okay.«
    »Dann ist’s ja gut. Ich hatte schon Angst, dass du für das nächste Spiel ausfällst.« Hefter hatte nun beide Hände in seine ausgebeulte Trainingshose gesteckt und sah sich neugierig um.
    »Keine Sorge, ich bin fit. Das war nur eine Vorsichtsmaßnahme vom Trainer. Ich bin beim nächsten Spiel dabei.«
    »Na, hoffentlich.« Hefter machte keine Anstalten zu gehen.
    »Lass mich in Ruhe duschen, ja?« Alexander Rauh wollte schon aufstehen und sich das große Handtuch um die Hüften schlagen, blieb im letzten Augenblick aber sitzen. Der Zettel brannte sich immer tiefer in seine Haut. »Was stehst du noch hier rum?«
    Hefter zuckte nur mit den Schultern.
    »Dann verschwinde endlich.«
    Hefter nahm die Hände aus den Hosentaschen. »Wollte nur wissen, wie es dir geht.«
    Ohne ein weiteres Wort verließ das Faktotum des Vereins die Kabine. Er lächelte.

III.
    »Was bedeutet das Loch im Kopf?« Ecki wiederholte die Frage nun schon zum dritten Mal. Er war allein. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er laut vor sich hingesprochen hatte. Ungeduldig drehte er den Kugelschreiber in seiner Hand und starrte auf den Bildschirm. Er hatte sich in die VICLAS-Datenbank des LKA eingeloggt und versuchte nun schon seit einer halben Stunde, eine Antwort auf seine Frage zu finden. Aber unter den mehr als 20.000 gespeicherten Fällen konnte er keine Merkmale entdecken, die auf ihren Fall passen könnten.
    Ecki sah auf den Aktenstapel. Er hatte sich von Schrievers nur die Vermisstenfälle bringen lassen, die acht bis fünfzehn Jahre zurücklagen. Trotzdem würde es Tage dauern, bis er sie durchgearbeitet hätte.
    Ecki schlug die erste Akte auf. Er musste schlucken, als er das Bild des kleinen, vielleicht zwei Jahre alten Mädchens sah. Die Kleine hieß Bianca und war schon mehr als zehn Jahre verschwunden. Ecki sah auf das Geburtsdatum des Kindes und rechnete. Bianca musste heute knapp 14 sein. Falls sie überhaupt noch lebte. Wie sollte man heute einen Teenager finden, wenn man nicht mehr als ein Foto mit dem strahlenden Gesicht eines Kleinkindes zeigen konnte?
    Das Mädchen lachte in die Kamera und hielt eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher