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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht
Autoren: Phil Rickman
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nach und nach die letzte menschliche Bastion gegen das Satanische aufgelöst.»
    Merrily schüttelte zweifelnd und bestürzt den Kopf.
    «Bleiben Sie dabei, junge Frau», sagte Huw. «Sie sind jetzt schon so weit gekommen.»
    «Ich weiß nicht recht. Außerdem kann es sein, dass mich der neue Bischof nicht haben will.»
    «Das müssen wir abwarten.», sagte Huw.
    «Ich muss auf jeden Fall noch einiges durchdenken. Lol und ich fahren in die Malvern Hills oder sonst wohin, um ein bisschen zu wandern und zu reden. Er ist ziemlich durcheinander, und die Sache mit den Purefoys hat ihm einen schweren Schock versetzt. Ihm geht ständig im Kopf herum, dass er jetzt sehr leicht genauso tot sein könnte wie sie.»
    «Wie ich höre, ist Denny Moon heute Morgen gestorben.»
    «Ja.» Sie wollte nicht über das sprechen, was Lol von einem Hilfssanitäter in der Notaufnahme des Krankenhauses gehört hatte.
    «Der arme Kerl. Es gibt immer Opfer, Merrily. Immer.»
    Der Hilfssanitäter hatte gesagt, dass eine Patientin, ein paar Sekunden nachdem Dennys Tod festgestellt worden war, angefangen hatte zu schreien und dass die Krankenschwestern ein Fenster hatten öffnen müssen, um einen großen schwarzen Vogel hinauszulassen.
    Huw sagte: «Ich weiß übrigens nicht, wem die Purefoys den Bauernhof vererbt haben, und ich würde am liebsten auch gar nicht darüber nachdenken. Aber ich vermute, es könnte nicht schaden, dass eine vernünftige Person ein bisschen darauf achtet, was dort vor sich geht, wenn wir nicht noch mehr Scherereien haben wollen.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass ich das kann.»
    Huw sagte: «Oh, das glaube ich aber sehr wohl.»
    «Sie waren doch derjenige, der mir die ganze Sache ausreden wollte!»
    «Das war, weil
damals
noch keine Tradition bestand», sagte Huw. «Ich glaube, Sie haben inzwischen eine begründet. Jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle tun würde?»
    «Was denn?»
    «Vergessen Sie die Malverns, die laufen Ihnen nicht weg. Nehmen Sie Lol mit auf den Dinedor Hill und halten Sie eine kleine Andacht für die Seele dieser Katherine Moon ab, damit sie zur Ruhe kommen kann. Und ihr Bruder auch. Und ihre Eltern. Warten Sie ab, was passiert.»
    «Ich wage nicht mal daran zu denken.»
    «Fürchten Sie sich nicht», sagte Huw. «Zweites Exorzistengebot: Du sollst
niemals
Angst haben. Aber machen Sie es nicht in der Scheune, dadrin könnte es gefährlich sein – ich rede von der Einsturzgefahr und so weiter. Gehen Sie oben auf die Wallanlage und richten Sie Ihren Blick auf die Verbindungslinie, diezur All-Saints-Kirche,
diesem
Ort hier und der Kirche von St.   Cosmas und St.   Damian führt.»
    «Werden Sie auch kommen?»
    «Nein, das werde ich nicht. Das schaffen Sie allein.»
    «Und was ist mit dem Großen Exorzismus? An wen sollen wir uns wenden?»
    «Ich glaube   …» Huw sah zu dem enormen Bleiglasfenster empor, das mit einem Mal in unerwartetem winterlichem Sonnenschein aufglänzte. «Ich glaube, das können wir auf sich beruhen lassen. Treten Sie mal einen Schritt zurück, junge Frau.»
    Er begann an einem der Steinpaneele des Cantilupe-Schreins zu zerren, und darunter kam ein Knäuel aus weißgoldenem Stoff von der Größe eines Tabaksbeutels zum Vorschein. Er beugte sich hinunter und nahm es in die Hand.
    Merrily sah ihm über die Schulter. «Was zum Teufel haben Sie da, Huw?»
    «Das habe ich abgeholt, bevor ich Dobbs aus dem Krankenhaus hierhergebracht habe. Und dann habe ich es vor dem Gottesdienst hier hineingesteckt – natürlich mit allem notwendigen Zeremoniell   –, sodass es die ganze Zeit hier war.»
    Er schlug den Stoff auseinander. In der Mitte lag etwas, das auf den ersten Blick wie ein Stückchen Backstein aussah: Es war dunkel, rotbraun und wirkte brüchig.
    «Das sind heilige Reliquien, junge Frau», sagte Huw. «Wir haben hier die unvergängliche Kraft heiliger Reliquien vor uns.»
    Dunkelrot.
    «Gott», sagte Merrily. «Seine Knochen sollen geblutet haben, war es nicht so?»
    «Ist anscheinend ein Stückchen vom Schädel. Ich habe es mir von ein paar Mönchen ausgeliehen. Der Aufbewahrungsort ist Geheimsache.»
    «Meine Güte.» Sie streckte einen Finger aus.
    «Ja, machen Sie nur, junge Frau. Sie wären zu seinen Lebzeiten garantiert nicht näher als zehn Schritte an den Kerl rangekommen, aber die Zeiten ändern sich.»
    Er ließ sie das Knochenstück berühren, wickelte es dann wieder in den Stoff ein und steckte
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