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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht
Autoren: Phil Rickman
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kämpferisches Ge müt –
Auf in den Kampf, ihr Söldner Christi!
– und liebte Auseinan dersetzungen.
    «Es gibt Tests», erklärte Huw. «Nach einer Weile glauben Sie wahrscheinlich, dass Sie die nicht mehr brauchen. Sie denken, Sie wüssten, was zu tun ist – so ungefähr: Klarer Fall, das kenne ich schon. Sie glauben, Sie hätten ein gewisses Gespür dafür entwickelt. Aber dieser Versuchung dürfen Sie nicht erliegen, weil   …»
    «Meinen Sie damit übersinnliche Fähigkeiten, Huw?», unterbrach Clive Wells. Clive war ein Vertreter des Geldadels und der High Church, deshalb betrachtete er Huw mit seiner abgetragenen blauen Leinenjacke, seinem wilden grauen Haarschopf und seinen ewigen Bartstoppeln mit tiefer Skepsis. «Übersinnliche Fähigkeiten – meinen Sie das mit Gespür?»
    «Neii-iin.» Huw starrte auf die Löcher in seinen Turnschuhen. «Ehrlich gesagt, neige ich dazu, Leuten zu misstrauen, die ständig über ihre derartigen Fähigkeiten reden. Sie fangen nämlich an, sich auf das zu verlassen, was sie als ihre eigenen Fähigkeiten ansehen, und können dadurch – genauso wie jeder andere, der sich auf ihr Urteil verlässt – fehlgeleitet werden. Ich wollte sagen, dass es meiner Meinung nach gefährlich ist, sich zu sehr auf sein vermeintliches Gespür zu verlassen. Das Gefühl der gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit kann selbst eine Täuschung sein. Wir müssen uns immer ganz eng an ein eingeführtes Verfahren halten. Wir müssen Disziplin wahren, Clive; das ist eine der großen Stärken der Kirche.»
    Charlie, der Ex-Armeekaplan, nickte heftig, er war sehr für Disziplin und eingeführte Verfahren.
    «Stellen Sie immer Ihre Vernunft über Ihre Intuition», sagte Huw. «Hüten Sie sich vor Eingebungen.»
    «Schließt das göttliche Eingebungen mit ein?», wollte Clive wissen.
    Huw warf ihm einen kummervollen Blick zu. «Woher wissen Sie denn, ob sie göttlich ist?»
    Clive erstarrte. «Weil ich Geistlicher bin. Weil ich meinen Glauben habe.»
    «Ich rate Ihnen, sich die Sache nicht allzu einfach zu machen», bemerkte Huw kühl.
    Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen. Die Dämmerung kroch durch das schmutzige, rautenförmige Fenster und ließ die Hügel draußen mit den tiefhängenden Wolken verschmelzen. Es war spät im Oktober, und die langen Winternächte standen vor der Tür. Merrily wünschte sich zurück vor das Kaminfeuer ihres Pfarrhauses.
    «Verstehen Sie mich nicht falsch   …» Huw saß auf der Kante seines Schreibtischs vor der gemauerten Kaminecke. «Was ich damit sagen will, ist nur», mit einem Mal wirkte er hager und ausgemergelt, «dass wir uns stets bemühen müssen, den
wahren
Gott zu erkennen. Das Böse erzählt uns Lügenmärchen. Das Böse erscheint plausibel. Das Böse schmeichelt sich ein, es redet Ihnen nach dem Mund. Wir müssen uns vor allem hüten, was man als Fehlinformation bezeichnen könnte.»
    «Die Einflüsterungen des Teufels», sagte Charlie mit einem Lachen, um die Stimmung wieder aufzulockern. «In solchen Augenblicken fragt man sich, ob man vielleicht im falschen Ausbil dungskurs sitzt.
Abdrücke
und
Besucher
,
Weinende
,
Atmer
,
Anhalter
– klingt alles mehr nach Geheimdienst, oder?»
    «Es ist wichtig, das richtige Augenmaß nicht zu verlieren. Wenn wir diese Erscheinungen dramatisieren, wenn wir mit fuchtelnden Armen gegen die Mächte der Finsternis und diesen ganzen Heavy-Metal-Quatsch wettern, wenn wir sie zu wichtig nehmen   … dann ist das zu viel der Ehre. Wir reizen etwas, was möglicherweise nichts weiter ist als ein lästiger Virus.»
    «Obwohl wir ihn ganz schnell mit ein paar leichten Antibiotikawieder loswerden könnten, vermute ich», sagte Barry Ambrose, ein sorgenvoll wirkender Vikar aus Wiltshire.
    «Wenn Sie es so ausdrücken möchten. – Sollen wir eine Pause machen?» Huw glitt von seinem Tisch herunter.
    Für Merrily das Signal, mutig zur Damentoilette zu schreiten.
     
    Beratung für spirituelle Grenzfragen.
    Damit war Exorzismus gemeint.
    Als die Christliche Exorzismus-Arbeitsgruppe 1987 beschlossen hatte, sich in «Christliche Arbeitsgruppe für spirituelle Grenzfragen» umzubenennen, war dies vermutlich in der Absicht geschehen, der Arbeit ihren Sensationscharakter zu nehmen. «Spirituelle Grenzfragen» klang nicht so mittelalterlich, nicht so düster. Nicht so komplett verschroben.
    Aber das hatte überhaupt nichts gebracht. Es ging darum, die Leute davor zu schützen, dass Erscheinungen in ihr Leben eindrangen, an
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