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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht
Autoren: Phil Rickman
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etwas tun Bischöfe nicht. Sie denken nicht einmal daran, einer Frau so etwas anzutun. Ein Bischof würde noch nicht einmal ernsthaft nach einem Alibi gefragt werden – wenn überhaupt. Und ganz besonders nicht, wenn ein unsympathischer, überheblicher und psychopathischer Teenager wie unser James frei herumläuft. Der von dem verständlicherweise erzürnten Bischof aus dem Palast geworfen wurde, in dem er sich verstecken wollte, und sich anschließend auf dem Gelände herumgetrieben hat   …»
    «Das können Sie doch nicht   …»
    «Liebe Merrily, Sie haben
keine Ahnung
, womit ich schon alles durchgekommen bin. Ich glaube inzwischen wirklich, dass ich einen ganz besonderen   … Schutz genieße.»
    «Sie sind total verrückt   …» Sie wurde panisch, versuchte, ihn wegzuschieben, und öffnete den Mund zu einem Schrei.
    Er presste ihr die Hand auf den Mund. «Nein», sagte er ohne jedes Gefühl in der Stimme.
    Über seine Schulter hinweg sah sie die Mauer der Kathedrale mit einem der hohen Fenster. Dahinter schimmerte Licht. Dort war die Polizei und bestimmt auch ein Arzt, der zu Thomas Dobbs’ Leiche gerufen worden war, und ein Elektriker, der nach der Ursache des Stromausfalls suchte. Kirchendiener, Kanoniker   … alle waren nur ein paar Meter entfernt, als der Bischof von Hereford seine langen, schlanken Hände um ihren Hals legte.
    «Sie haben mich zurückgewiesen, Mrs.   Watkins. Auf der persönlichen Ebene war das die größte Beleidigung von allen.»
    «Ich will beten», sagte sie.
    Er lachte.
    «Bedeutet Ihnen das wirklich überhaupt nichts?»
    Er löste die Hände von ihrem Hals.
    «Ich glaube nicht an Gott», sagte er, «es sein denn, man betrachtet Gott als eine Schöpfung der Menschen, die etwas haben wollten, in dem sie ihr Ebenbild sehen konnten. Ich glaube auch nicht an den Satan, genauso wenig wie an Heilige oder Dämonen. Was ich nachvollziehen kann, ist die mächtige psychologische Wirkung von Symbolen, die Wirkung von Glanz und Prachtentfaltung – von Kostümfesten eben.»
    «Sie verstehen es wirklich nicht, oder?» Sie kämpfte sich in eine halb sitzende Position hoch. «Sie verstehen nicht, was Sie selber sind!»
    Er sah sie fragend an.
    «Sie durchschauen nicht, dass ein   … Ungläubiger, der anderemanipuliert   …», langsam richtete sie sich ganz auf, «…   der versucht, das Glaubensgebäude zu manipulieren, um seine eigene Macht und seinen Einfluss zu vergrößern   …», sie griff nach dem Steingefäß, das auf dem Brunnen stand; es war viel schwerer, als sie erwartet hatte, und sie ließ es beinahe fallen, «…   die
satanischste
… Person ist, die man sich vorstellen kann.»
    Sie schluchzte.
    «Stellen Sie das wieder hin», sagte der Bischof.
    Es gelang ihr mit beiden Händen, den Topf über ihren Kopf zu heben. Sie zog sich mit kleinen Schritten auf den Weg zurück.
    Mick entspannte sich und breitete die Arme aus. «Wollen Sie das Ding auf mich werfen?»
    Er war nicht einmal zwei Meter von ihr entfernt. Wenn sie den Topf mit aller Kraft auf ihn schleuderte, würde er ihn einfach auffangen. Und wenn sie ihm nahe genug käme, um ihm das Gefäß gegen den Kopf zu schlagen, würde er es ihr einfach aus den Händen winden.
    Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen. Seine Augen schienen stärker denn je zu glänzen. Merrily spürte seine Erregung, sein Vergnügen, seine Lust am Risiko.
    Er zuckte mit den Schultern.
    «Ich wollte Sie beten lassen. Ich habe nichts gegen Ihren Glauben. Wissen Sie, am besten benutze ich diesen Topf, wenn es Ihnen recht ist. Sie können sich zum Beten hinknien, und während Sie mit Gott reden, schmettere ich Ihnen den Topf mit einem festen, sauberen Hieb auf den Hinterkopf. Abgemacht?»
    Ihre Arme schmerzten, doch sie hielt den Topf weiter über ihren Kopf, als wolle sie dem Mond ein Opfer darbringen.
    «Es tut mir sehr leid, dass Sie sterben müssen», sagte Mick Hunter. «Dass sich die Sache mit Ihnen so entwickelt hat, macht mich wirklich traurig. Sie müssen wissen, dass ich tatsächlich fähig bin, echtes Bedauern zu empfinden.»
    Er kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu.
    «Merrily?»
    Es gab nichts mehr zu sagen. Sie bog sich nach hinten, spürte ein Stechen in der Wirbelsäule, und dann schleuderte sie den Steintopf mit aller Kraft in das große gotische Fenster mit den kleinen rautenförmigen Scheiben.

54
Finstere Orte
    Man konnte erkennen, wie er in sie hineinstieß. Es war ziemlich dunkel, aber die Kamera zoomte sich sehr
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