Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
Merrily.
    Huw blickte die Gruppe verwirrter Vikare, Pfarrer und Pfarramtsvertreter an, die um die Petroleumlampe herumstanden.
Gottes Elitetruppe
, dachte Merrily und wäre am liebsten in hysterisches Gelächter ausgebrochen, allerdings hätte dann vielleicht der ein oder andere von ihnen gedacht, ein Dämon hätte von ihr Besitz ergriffen.
    «Also», sagte Huw, «wer von Ihnen möchte mal wieder den Reinigungsritus üben?»
    Charlie Headland presste die Lippen zusammen. Merrily vermutete, dass er sich überlegte, ob Huw diese Sache irgendwie eingefädelt hatte. Und sie selbst fragte sich das auch.
Tests – kleine Tests. Lügen. Desinformation.
    «Und sollten wir das ganze Gebäude segnen und reinigen? Oder vielleicht uns gegenseitig?»
    Merrily war entsetzt.
Das gerät vollkommen außer Kontrolle. Wie schnell wir alle an unsere Grenzen stoßen.
    «Das ist verrückt», sagte Nick Cowan, der Ex-Sozialarbeiter. «Reiner Unsinn. Offenkundig hat es irgendeine elektrische Schwankung gegeben. Ein Stromstoß, das ist alles.»
    Huw strahlte ihn an. «Guter Gedanke, Nick. Solche Probleme hat man eben hier oben in den Bergen. Das ist ein sehr guter Gedanke. Da haben Sie’s   …» Er breitete die Hände aus. «Das sollte uns allen eine Lehre sein. Bedenken Sie immer die rationalen, konkreten Erklärungsmöglichkeiten, bevor Sie sich hinreißen lassen. Warum gehen Sie nicht los und überprüfen den Sicherungskasten, Charles? Er ist in dem Wandschrank über der Eingangstür. Es liegt eine Kerze drin.»
    Als Charlie hinausgegangen war, setzte Merrily sich. Sie fühlte sich müde und schwerfällig. Um das unbehagliche Schweigen zu brechen, sagte sie: «War das ein echter Fall – die Frau auf dem Video?»
    «Ah», sagte Huw. In dem flackernden Licht sah er viel jünger aus. Merrily konnte sich gut vorstellen, dass er in den sechziger Jahren in einer Rockband gespielt hatte.
    «Sie haben gesagt, dass die Leute nochmal zurückwollten, um mit ihr zu reden.»
    «Also.» Er begann das lose Videoband um seine Hände zu drehen, bis sie schließlich aneinandergebunden waren. «Unser Mannaus Northampton klopft an ihre Tür. Nichts rührt sich, aber er hört, dass in dem Haus das Radio läuft, und die Tür ist nicht abgeschlossen. Er geht hinein und ruft nach ihr, wie man es eben so macht. Und das Radio läuft immer noch, und unser Mann fängt langsam an, sich komisch zu fühlen.»
    «Oh, lieber Gott, nein», murmelte Clive Wells. «Sagen Sie es nicht.»
    «Tut mir leid, Clive.» Huw hob die Hände wie im Gebet, doch weil sie mit dem schwarzen Videoband gefesselt waren, wirkte die Bewegung irgendwie blasphemisch. «Und da liegt sie auf der Couch, neben sich eine Flasche Whiskey – fast leer – und eine Packung Tabletten – ganz leer   –, und auf
Radio Two
laufen Schmusehits aus den Sechzigern.»
    Merrily schloss die Augen. Bei so einer Sache würde Huw nicht lügen. So grausam wäre er nicht.
    «Und wir werden nie erfahren, ob sie uns etwas vorgespielt hat oder nicht», sagte Huw. «Die Lehre aus diesem Vorkommnis ist, dass unser Mann aus Northampton nach dem ersten Besuch nicht hätte gehen sollen, ohne der Frau einen richtigen Segen zu erteilen, sodass sie sich beruhigt und beschützt gefühlt hätte. Das wäre zumindest eine psychologische Unterstützung gewesen. Im schlimmsten Fall hätte er eben als Trottel dagestanden, falls sich herausgestellt hätte, dass sie die Geschichte erfunden hat. Andererseits gehört es sozusagen zum Berufsrisiko von Geistlichen, als Trottel dazustehen, oder, Merrily? Man gewöhnt sich irgendwann daran, finden Sie nicht?»
    Merrily starrte immer noch auf das verkohlte, grinsende Maul des Videorecorders, als das Licht wieder anging.
    «Erstes Gebot bei spirituellen Grenzfragen», sagte Huw. «Immer ein paar Sicherungsdrähte dabeihaben.»

TEIL ZWEI
Virus
    3
Sturmtruppe
    Sie wollten sich ein bisschen in der Kathedrale von Hereford umsehen – erstens regnete es, und zweitens hatte Jane beschlossen, dass sie Kirchen mochte.
    Ganz im Gegenteil zu
der
Kirche, versteht sich, die schließlich nichts weiter war als eine Versammlung von Versagern, hoffnungslosen Fällen und traurigen Gestalten, die sich gern ein bisschen verkleideten.
    Jane lief in ihrem geliebten Radiohead-Sweatshirt in der Kirche umher und ließ ihre Arme mit leicht geöffneten Händen lose herabhängen. Trotz all dieser stumpfsinnigen Hundekragenträger hier konnte man in diesen weihevollen alten Gemäuern manchmal immer noch echte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher