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Mittsommersehnsucht

Mittsommersehnsucht

Titel: Mittsommersehnsucht
Autoren: Elfie Ligensa
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hindurchschlängelte. Ihr offenes weißblondes Haar wehte wie eine Fahne hinter ihr her.
    »Ist sie dir davongelaufen?«
    Nur zögernd drehte er den Kopf in Andreas Richtung. »Was meinst du?«
    »Das blonde Mädchen, mit dem du eben noch im Bett warst.« Andrea wies hinüber zu der Radfahrerin. »Lauf ihr nach! Wahrscheinlich passt ihr gut zusammen. Mich musst du entschuldigen, das Schiff läuft gleich aus.«
    »Ja, aber …«
    »Du wiederholst dich, Jonas. Adieu.« Sie drehte sich zu dem alten Bengt um. »Kommen Sie mit aufs Schiff?«
    »Sicher. Mein Neffe wäre sonst böse auf mich.« Er drehte sich noch einmal um, und der Blick, mit dem er Jonas maß, ließ den smarten Hotelier zusammenzucken.

2
    N un, wie gefällt dir das Schiff?« Knut Niebur, der Erste Offizier der Midnatsol , machte eine weiträumige Handbewegung. »Sie ist wunderbar, nicht wahr? Fast so luxuriös wie ein Traumschiff.«
    Andrea sah zu dem fast zwei Meter großen Mann auf. Er war blond, braun gebrannt, und um seine blauen Augen zeigten sich feine Fältchen, die sich beim Lachen vertieften.
    »Es ist – überwältigend.« Die junge Ärztin beugte sich über die Reling und sah hinunter ins Hafenbecken, wo winzig klein, Punkten ähnlich, die immer hungrigen Möwen auf den Wellen schaukelten und darauf warteten, dass ihnen ein paar Leckerbissen zugeworfen wurden. Langsam drehte sie sich zu Knut und Bengt um. »Ich kann verstehen, dass immer mehr Menschen eine solche Reise machen möchten.«
    »Das freut uns auch sehr.«
    »Und – es ist wirklich noch eine Kabine frei?«
    »Sagte ich doch.« Der alte Bengt strich wieder einmal über seinen Bart. »Knut macht das schon, keine Sorge, Kindchen.«
    Andrea zuckte leicht zusammen. Kindchen … so hatte sie zuletzt ihr Doktorvater genannt, der liebenswerte Professor Hillebrand. Er und seine Frau waren beinahe so etwas wie Eltern für Andrea gewesen. Kurz nachdem sie volljährig geworden war, hatten ihre Eltern einen Unfall erlitten und waren an den Folgen kurz hintereinander gestorben. Professor Hillebrand erinnerte sie häufig an ihren Paps, der so gern gelacht, so klug und weltoffen gewesen war.
    »Komm mit, ich zeige dir dein Reich für die nächsten Tage.« Knuts Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er hatte ihren Koffer genommen, dazu die Reisetasche, und trug beides so, als seien es Leichtgewichte.
    »Aber … du hast doch bestimmt anderes zu tun«, wandte sie ein. »Ich komme auch allein zurecht.«
    Doch der Marineoffizier, der eine dunkelblaue Hose und einen blauen Pullover trug, unter dem der weiße Hemdkragen hervorschaute, schüttelte den Kopf. »Nichts da, ich bringe alle Passagiere, die mir wichtig sind, persönlich zur Kabine.« Er schmunzelte und wandte sich an Bengt. »Wartest du noch, bis wir zurück sind?«
    »Nein, ich muss wieder los.« Der alte Mann reichte Andrea die Hand. »Eine gute Reise. Sie wird wichtig für dich werden, Kindchen, ich weiß es.«
    »Danke. Für alles.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie Bengt nachsah, der kurz die Hand an die blaue Wollmütze legte und dann so behände wie ein junger Mann die Gangway hinunterging.
    »Andrea? Kommst du mit?«
    »Ja. Sofort.« Ein letzter Blick ging zu dem Alten, der sich in diesem Moment noch einmal umschaute. Wieder strich er sich über den Bart, ehe er die Tür seines Taxis öffnete und in der nächsten Sekunde ihren Blicken entschwunden war.
    Die Kabine, in die Knut sie führte, war unerwartet geräumig und mit allem Komfort ausgestattet. Helle Möbel, sonnengelbe Vorhänge vor dem schmalen Fenster, ein paar Bilder an der Wand, die Impressionen der Mitternachtssonne zeigten.
    »Leider ist die Sicht aus dem Fenster ein bisschen eingeschränkt, doch eine bessere Kabine war nicht mehr frei«, sagte Knut entschuldigend.
    »Ich bitte dich. Das ist perfekt für mich. Und ich bin dir sehr dankbar, dass ich noch mitkommen kann. Wann kann ich die Passage bezahlen?«
    »Ich rede mit dem Zahlmeister. Du gehst am besten morgen zu ihm, wenn du dich eingerichtet hast. Onkel Bengt hat gesagt, dass du eine gute Bekannte von ihm bist, das reicht vollkommen fürs Erste.«
    »Eine gute Bekannte …« Andrea schüttelte den Kopf. »Wir kennen uns erst seit ein paar Stunden.«
    »Das hat bei ihm nichts zu bedeuten. Er mag dich, und das allein ist wichtig.« Knut zögerte, dann fügte er leise hinzu: »Onkel Bengt ist ein ganz besonderer Mensch.«
    Das konnte Andrea nur bestätigen. Als sie allein war, trat sie ans Fenster und
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