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Mitternachtsschatten

Mitternachtsschatten

Titel: Mitternachtsschatten
Autoren: Anne Stuart
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aufzuhalten, aber sie hatte sich losgemacht, und schließlich hatten sie sie gehen lassen, bevor die Polizei kam, um den Leichnam aus dem Pool zu fischen. Sie wusste nicht, wohin sie wollte, bis sie plötzlich da war. Die Kirche war hell erleuchtet, und ein paar Raucher säumten die Straße rundherum. Viele von ihnen erkannte sie wieder. Sie lächelte sie unsicher an und lief an ihnen vorbei. Die Kirche war voller Menschen, aber anstatt sich wie sonst einen Platz in der hintersten Ecke zu suchen, setzte sie sich ruhig nach vorne und wartete, während sich die Sitze neben und hinter ihr füllten.
    „Will irgendjemand hier heute Abend über etwas Bestimmtes sprechen?“ fragte eine Frau, nachdem die Eröffnungsrituale vorbeiwaren.
    Das war sonst immer der Moment gewesen, in dem Rachel-Ann den Blick abwandte und sich so sehr in sich selbst zurückzog, dass sie fast verschwand. Aber heute Abend war alles anders. Sie hob die Hand, die Frau nickte.
    „Hi“, sagte sie. „Mein Name ist Rachel-Ann und ich …“ Ihre Stimme brach, es war totenstill im Raum. „Und ich bin Alkoholikerin“, fuhrt sie heiser fort.
    „Hi, Rachel-Ann“, begrüßten alle sie gleichzeitig.
    „Hi, Rachel-Ann“, hörte sie Ricos weiche Stimm direkt hinter sich. Sie streckte, ohne sich umzublicken, eine Hand nach hinten, und er ergriff sie.
    „Mein Vater ist heute Nacht gestorben“, begann sie zu erzählen.
    „Wo ist Coltrane?“ fragte Dean.
    Jilly saß am Küchentisch und starrte wortlos in eine Tasse mit kaltem Kaffee. Es war nach Mitternacht, die Polizei war gegangen, ebenso der Leichenbeschauer und der Notarzt, und sie waren wieder alleine im Haus.
    Sie zwang sich, ihrem Bruder in die Augen zu schauen. „Er ist gegangen“, sagte sie. „Ich glaube, er hatte keine Lust, der Polizei Fragen zu beantworten.“
    „Das kann ich mir gut vorstellen. Unser Freund Coltrane hat eine Menge Geheimnisse.“
    „Haben das nicht die meisten Menschen?“ fragte sie müde.
    „Ja, aber nicht so viele wie er. Du hast dich doch hoffentlich nicht in ihn verliebt, oder?“
    Sie starrte ihn an. „Glaubst du wirklich, dass ich so blöd bin?“
    „Ja. Oder vielleicht sollte ich sagen, so verletzlich. Du kannst nicht immer die Starke sein, Jilly.“
    „Im Augenblick habe ich keine andere Wahl, meinst du nicht?“ Sie rührte den Kaffee um.
    „Wird er zurückkommen?“
    „Coltrane? Das glaube ich kaum. Er hat erreicht, was er wollte. Jackson ist tot.“
    „Bist du dir sicher, dass das alles war, was er wollte?“
    „Absolut“, antwortete sie. „Was könnte er sonst wollen?“
    „Vielleicht dich, kleine Schwester?“
    Jilly schüttelte den Kopf. „In diesem Fall wäre er noch hier. Er wäre nicht ohne ein einziges Wort gegangen. Meinst du nicht?“
    „Vielleicht. Vielleicht nicht.“
    „Davon abgesehen, mache ich mir viel mehr Gedanken um Rachel-Ann. Was glaubst du, wo sie ist?“
    „Hör auf damit, Jilly. Hör auf, dich ständig um andere zu kümmern, und denke jetzt einmal an dich selbst. Rachel-Ann wird schon in Ordnung sein. Sie ist viel stärker, als wir alle geglaubt haben.“
    „Und was ist mit dir?“
    „Du kannst es einfach nicht lassen! Mir geht es auch gut. Ich habe mir seit Jahren schon keine Illusionen mehr über Jackson gemacht. Du warst diejenige, die immer dachte, ich hätte seine Anerkennung nötig. Alles, was ich wollte, war, dass der alte Schweinehund endlich verschwindet und mir die Firma hinterlässt. Was er ja jetzt getan hat. Es war ein wenig mehr Gewalt im Spiel, als ich erwartet hatte, aber was solls.“
    „Dean!“ Sie starrte ihn entsetzt an, doch er schien völlig unbekümmert.
    „Rachel-Ann und ich können uns selbst um uns kümmern. Du musst jetzt dein eigenes Leben leben, Schwesterchen. Ohne dieses alte Haus und ohne deine albernen Geschwister. Such dir eine neue Ruine, die du erhalten, eine neue Seele, die du retten kannst. Ich hatte ja eigentlich gehofft, dass es Coltrane sein würde, aber wenn nicht, dann eben nicht. Es wird Zeit für alle, endlich auf eigenen Füßen zu stehen.“
    „Ja“, gab sie zurück, obwohl sie es nicht hören wollte.
    „Und es ist höchste Zeit, dieses alte Haus loszuwerden. Du weißt das genauso gut wie ich.“
    Sie warf einen Blick auf die Stuckdecke, auf die altmodische Spüle und auf das angeschlagene Geschirr in dem riesigen Glasschrank.
    „Ja“, wiederholte sie.
    Und begann zu weinen.

24. KAPITEL
    A cht Monate später
    Jilly balancierte eine Einkaufstasche auf ihrer Hüfte
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