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Mitternachtsflut

Mitternachtsflut

Titel: Mitternachtsflut
Autoren: Gabriele Ketterl
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zu gerne wieder ergriff – zündete an den Flammen des Feuers eine kleine Fackel an. Im Schein der hellen, flackernden Fackel führte er sie zurück zum Meer.

Kapitel 5
    „Ich geh da heute nicht mehr rein!!“ Der Satz ging ihr sehr spontan und sehr überzeugend über die Lippen, sobald sie am Strand ankamen. Er lachte nur lauthals und drückte ihr die Fackel in die Hand.
    „Das erwarte ich auch nicht von dir, sieh her!“ Mit diesen Worten bückte er sich und zog an einem dicken, mehrfach gewundenen Seil, das an einer Felsspitze befestigt war. Nach kurzem Ziehen kam eine Art Reuse zum Vorschein, keine der modernen aus Eisen, sondern eine schöne, alte, aus Schilf und Zweigen geflochtene Reuse. Miguelangel stellte sie vorsichtig zu Boden, öffnete sie und fasste hinein. Darin waren ein riesiger Zackenbarsch und zwei kleinere Fische. Hinter dem Felsen hatte er einen Korb stehen, in welchem die Fische jetzt landeten. Dann lies er die Reuse wieder zu Wasser, dabei murmelte er etwas das klang wie: „Auf die nächsten 50 Jahre!“
    Aber Marie musste sich sicherlich verhört haben. Er drückte ihr den Korb in die Hand, nahm die Fackel und gemeinsam gingen sie zurück zur Höhle. Dort zauberte er aus den Fischen mit wenigen Mitteln ein dermaßen leckeres Essen, dass Marie ernsthaft begann an Wunder zu glauben. Der Mann war zu gut um wahr zu sein. Er hielt Ordnung, konnte töpfern, offenbar auch noch weben, er war intelligent, besorgt, liebevoll, konnte kochen und – was ja auch ziemlich ins Gewicht fiel – er sah unverschämt gut aus. Als sie dort saß und mit ihm gemeinsam die herrlichen, frischen Fische verspeiste, während er ihr von den Freuden und Gefahren des Meeres und sie ihm wiederum ihre komplette Lebensgeschichte erzählte, hatte sie das unbestimmte Gefühl, diesen Mann seit langer, langer Zeit zu kennen. Zwischen ihnen war eine Vertrautheit, wie sie sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben so spontan gespürt hatte. Vor noch gar nicht langer Zeit bei Manolo! Zum Fisch gab er ihr süßen Wein zu trinken, der herrlich zum Essen passte und der Marie die letzten Spuren des Schreckens der vorangegangenen Stunden vergessen lies. Miguelangel legte die Tonschale aus der sie gemeinsam gegessen hatten beiseite und strahlte Marie an. „Hat es dir geschmeckt? Geht es dir gut?“ „Oh ja, hat es! Und ja, es geht mir sehr gut, du bist wunderbar, das soll jetzt nicht kitschig klingen, aber ich fühle mich bei dir unglaublich wohl.“ Marie suchte krampfhaft nach unverfänglichen Worten. „Ich bin total verwirrt. Wir müssen uns wohl doch kennen. Anders kann ich es mir nicht erklären.“ Er beugte sich ein wenig nach vorne, griff nach ihren Armen und zog sie vorsichtig zu sich heran. Ganz langsam und zärtlich legte er seine Arme fest um sie. „Ich denke du hast Recht. Doch wenn wir uns kennen, dann wohl aus einem anderen Leben, einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Du sorgst dafür, dass ich zum ersten Mal seit langer Zeit mein Herz wieder fühle, so wie ich es schon lange nicht mehr gefühlt habe. Marie, du wagemutige und stolze Tochter des Ozeans.“ Miguelangel zog sie noch fester an sich und Marie lies es gerne geschehen. Ihr Kopf lag an seiner warmen, breiten Brust und sie hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag. Sie spürte durch den dünnen Stoff der Decke, wie er langsam und zärtlich mit den Fingern ihre Wirbelsäule hinab strich.
    Ein wohliges Prickeln machte sich in ihrem ganzen Körper breit und lies sie leise erbeben. Plötzlich verschwand der Boden unter ihren Füßen und Miguelangel trug sie langsam zu seinem Bett. Währenddessen sah er ihr die ganze Zeit tief in die Augen und sie glaubte, er könne bis in ihre Seele blicken. Als er sie vorsichtig auf dem mit weichen Decken und einigen Schaffellen ausgelegtem Bett ablegte und sich neben sie setzte, konnte sie ihren Blick nicht von ihm abwenden. Das war nicht möglich. Woher konnten in so kurzer Zeit so tiefe Gefühle kommen?
    Lebensretter hin, traumhaft schöner Mann her, wieso wollte sie nichts so sehr wie in seinen Armen liegen, um dort auf immer zu bleiben? Wo war ihr berühmter Sinn für Logik und Vernunft geblieben? Als er ihr liebevoll die Haare aus dem Gesicht strich, erübrigte sich jede weitere Frage nach Vernunft. Sie wollte ja gar nicht vernünftig sein. Nicht jetzt, nicht hier!
    Zaghaft streckte sie ihre Hand aus und berührte sein Gesicht, strich langsam und fast genussvoll von seiner Schläfe hinunter zu seinem Mund, fuhr dort
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