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Mitternachtsflut

Mitternachtsflut

Titel: Mitternachtsflut
Autoren: Gabriele Ketterl
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Zeit. Komm mit und zwar zügig, du wärmst dich jetzt am Besten erst mal auf.“ Irgendwie hatte er etwas sehr Bestimmendes. Ohne Maries Antwort abzuwarten, griff er nach ihrer Tasche und warf sie sich über die Schulter. „Brauchst du Hilfe oder schaffst du es alleine? Es ist gleich dort oben.“
    Er zeigte an den Felsen hoch und tatsächlich, aus einer Höhle die Marie bis heute nie aufgefallen war, leuchtete ein leichter, warmer Feuerschein.
    „Wohnst du dort? Ich hab dich hier aber noch nie gesehen. Ich dachte immer ich kenne jeden, der hier unten lebt.“ Marie erhob sich und folgte ihm vorsichtig den Hang hinauf. Der Pfad war trocken und eigentlich gut zu begehen, doch ihre Beine zitterten noch immer von der Anstrengung. Sonst eigentlich sehr flink und sicher beim Klettern auf den Felsen, hatte sie heute einen unsicheren Schritt. Als sie strauchelte und fast ausrutschte, ergriff er ihre Hand, hielt sie fest und führte sie den Rest des Weges. Er begann wieder zu sprechen und zunehmend fasziniert, lauschte sie seiner schönen Stimme. „Wohnen? Ja, so könnte man das wohl nennen.“ Der Mann lächelte versonnen in sich hinein. Der Eingang der Höhle erwies sich jetzt, da sie oben angelangt waren, als so groß, dass er sich kaum bücken musste und auch Marie betrat die Behausung des Fremden ohne Problem. Am Eingang blieb sie staunend stehen und lies ihren Blick durch die große Höhle schweifen. Nie im Leben hätte sie erwartet hier unten etwas so Schönes zu finden. Sie kannte ja nun die mehr oder weniger vermüllten Höhlen der anderen Hippies – doch das hier war dagegen der reinste Palast. Gleich neben ihr war eine große Feuerstelle aus perfekt aufgeschichteten Lavasteinen in der auch jetzt gerade ein wärmendes Feuer brannte, der Schein des Feuers offenbarte etwas weiter hinten eine Art Bett, geschickt gezimmert aus roh behauenem Holz und mit dicken Decken und einigen Fellen sehr gemütlich ausgelegt. An den Wänden waren Regale in den Stein gehauen. Darin standen traumhaft schöne Keramiktöpfe und Krüge. Marie konnte nicht anders, der Schöngeist und die Neugierde in ihr gewannen rasch die Oberhand. Sie trat an die Regale und lies ihre Hände bewundernd über die herrlichen Gefäße gleiten. „Hast du das selbst gemacht? So was gibt es doch gar nicht zu kaufen. Wenn du die auf den vielen Märkten der Insel anbietest, kannst du dafür jede Menge einnehmen!“
    „Hm, ich habe ja zahlreiche Talente, aber das des Händlers - glaube ich zumindest - gehört nicht dazu. Außerdem hänge ich an den Stücken, ich habe sie schon eine ... Ewigkeit!“ Und wieder dieses geheimnisvolle, faszinierende Lächeln. Marie riss sich zusammen. „Halt mich jetzt bitte nicht für dumm oder aufdringlich, ich weiß, der Spruch ist ziemlich alt, aber kenne ich dich von irgendwoher?
    Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich deine Stimme, deine Art dich zu bewegen und zu sprechen schon lange kenne. Bist du vielleicht mit Manolo verwandt?“
    „Manolo? Der alte, weise Mann mit den Meeresaugen? Kann gut sein. Entfernt wahrscheinlich. Wir sind doch hier alle irgendwie ein Volk, oder?“ „Du musst sein Enkel oder Neffe oder so etwas sein, ihr seht euch so dermaßen ähnlich, dass es schon fast unglaublich ist!“
    „Lass es mich anders ausdrücken. Er ist wahrscheinlich ein Nachfahre von mir.“ Der Fremde sah sie mit einem leicht spöttischen Gesichtsausdruck an. „Er von dir? Jetzt bringst du aber etwas durcheinander. Du bist ja wohl jünger als er und zwar um Einiges!“ Darauf kam leider nichts von ihm, nur dieses Lächeln, das Marie vergessen ließ, nochmals nach einer Antwort zu fragen. „Jetzt komm erst einmal her, du brauchst etwas Trockenes und zwar rasch, sonst wirst du krank.“ Er ging nach hinten in die Höhle, zu einem weiteren Regal in welchem offenbar Tücher, Kleidung und Ähnliches lagerten und kam mit einer großen Decke zurück. Marie hatte so etwas noch nie gesehen. Die Decke war leicht und seidenweich. Sie glänzte als ob sie mit Goldfäden durchzogen war und vielleicht war dem auch so. Sie hatte die gleiche helle Cremefarbe wie sein langer Rock und war überzogen mit bildschönen, gleichmäßigen Wellenmustern in Erdtönen. „Komm, gib dein Handtuch her, das trocknen wir jetzt erst einmal. Nimm die Decke hier, zieh dich um und wickle dich darin ein. Es wird dich wärmen. Geh dort nach hinten, ich sehe nicht hin. Versprochen!“ Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von Marie ab und griff nach einem
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