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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman
Autoren: Ken Follett
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einem Neubau flankiert. Die Gebäude lagen alle ziemlich weit landeinwärts, sodass man nicht daran vorbeikam, wenn man das Gelände in Strandnähe überquerte. Außerdem waren die Dünen zum Meer hin mit niedrigem Buschwerk bedeckt, das eine gute Tarnung bot. Das Einzige, worauf Harald achten musste, waren die Patrouillen der Wachmannschaften.
    Er erreichte das kleine Gebüsch, kletterte auf den Zaun, überstieg vorsichtig die beiden Stacheldrahtreihen, sprang auf der anderen Seite hinunter und landete weich im nassen Dünensand. Er sah sich um und spähte in die Düsternis. Nur die schemenhaften Umrisse von Bäumen waren zu erkennen. Die Gebäude waren von dieser Stelle aus nicht zu sehen, doch Harald hörte leise Musik und ab und zu aufbrandendes Gelächter aus ihrer Richtung. Es war Samstagabend: Vermutlich saßen die Soldaten beim Bier, während ihre Offiziere in Axel Flemmings Hotel zu Abend speisten.
    Harald machte sich auf den Weg. Im ständig wechselnden Licht des Mondes bewegte er sich so schnell, wie es ihm sein Instinkt erlaubte. Wo immer es möglich war, hielt er sich im Schatten der Sträucher. Die Brandung zu seiner Rechten und die leise Musik zu seiner Linken halfen ihm bei der Orientierung. Plötzlich tauchte neben ihm eine turmartige Konstruktion auf, die er im Halbdunkel als Suchscheinwerferbatterie identifizierte. Sie konnte im Alarmfall das ganze Gelände taghell erleuchten; normalerweise aber galten auch für den Stützpunkt die Verdunkelungsvorschriften.
    Unvermittelt kam ein Geräusch von links, und Harald erschrak. Mit pochendem Herzen kauerte er sich nieder und spähte in Richtung der Gebäude. Dort stand eine Tür offen, und Licht flutete über das Vorfeld. Ein Soldat kam heraus und rannte über den Hof. Eine zweite Tür öffnete sich, und der Mann verschwand in einem anderen Gebäude.
    Haralds Herzschlag beruhigte sich.
    Er durchquerte eine kleine Kieferngruppe, an die sich eine Mulde anschloss. Er rutschte die Böschung hinab und sah, als er unten angekommen war, die Umrisse eines weiteren Bauwerks vor sich aufragen. Genaueres ließ sich im trüben Licht nicht ausmachen; auch konnte Harald sich nicht erinnern, dass während seiner Zeit auf der Baustelle hier unten irgendetwas errichtet worden war. Beim Näherkommen erkannte er eine kreisförmige Betonmauer, die ungefähr so hoch war wie sein Kopf. Über der Mauer bewegte sich etwas, und nun nahm er auch ein Summen wahr, das sich anhörte, als stamme es von einem Elektromotor.
    Das müssen die Deutschen nach der Entlassung der dänischen Arbeiter gebaut haben, dachte er und fragte sich, warum ihm diese Konstruktion von außerhalb des Zauns nie aufgefallen war. Die Antwort war nicht schwer: Die Bäume und der tief gelegene Standort in der Mulde schirmten sie vor neugierigen Blicken ab. Möglicherweise war sie nur vom Strand aus zu sehen – und den in Höhe des Stützpunkts zu betreten war ja verboten.
    Er blickte auf, um sich die Anlage näher anzusehen. Dabei fiel ihm der Regen direkt ins Gesicht und brannte in den Augen. Aber er war jetzt zu neugierig geworden, um einfach weiterzugehen. Plötzlich leuchtete der Mond hell auf. Harald blinzelte und riskierte einen weiteren Blick. Oberhalb der kreisrunden Mauer war ein Metallgitter oder Drahtgeflecht zu erkennen, das wie eine überdimensionale Matratze mit einer Kantenlänge von etwa vier Metern aussah. Das Gebilde drehte sich wie ein Kinderkarussell und brauchte für eine Umdrehung jeweils ein paar Sekunden.
    Der Anblick schlug Harald in seinen Bann. Nie zuvor hatte er ein solches Gerät gesehen. Der Ingenieur in ihm erwachte und stellte Fragen: Wozu dient das? Warum dreht es sich? Das Geräusch sagte ihm wenig – das war lediglich der Motor, der die Drehung bewirkte. Dass es kein Geschütz oder dergleichen war, jedenfalls kein herkömmliches, dessen war er sich ziemlich sicher, denn dazu fehlte das Rohr. Am ehesten hatte die Anlage etwas mit Nachrichtenübermittlung zu tun.
    In der Nähe hustete jemand.
    Harald reagierte instinktiv. Er sprang, hielt sich am oberen Rand der Betonmauer fest und zog sich hinauf. Sekundenlang lag er auf der schmalen Mauerkrone und kam sich vor wie auf dem Präsentierteller. Dann glitt er auf der anderen Seite hinunter. Im ersten Moment fürchtete er, mit den Füßen in eine Maschine zu geraten, obgleich er eigentlich damit rechnete, dass das Gerät zu Wartungszwecken von allen Seiten zugänglich war. Dann berührten seine Füße Betonboden. Das Summen war
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