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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman
Autoren: Ken Follett
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schon, ohne eine Begegnung mit einem Mitglied der Familie davonzukommen, doch als er den Eimer zurückbrachte, stieß er im Hof auf Peter Flemming.
    Der dreißigjährige, hoch aufgeschossene und etwas überheblich wirkende Mann im hell beigefarbenen Tweedanzug war Axels Sohn. Bevor sich die Familien entzweit hatten, war er der beste Freund von Haralds Bruder Arne gewesen. Als Teenager hatten sich die beiden einen Ruf als Frauenhelden erworben: Arne verführte die Mädchen mit charmanter Unverfrorenheit, Peter spielte den abgeklärten Intellektuellen. Harald nahm an, dass Peter, der inzwischen in Kopenhagen lebte, nach Hause gekommen war, um die Feiertage auf der Insel zu verbringen.
    Peter las gerade Virkligheden und blickte bei Haralds unerwartetem Erscheinen auf. »Was treibst du denn hier?«, wollte er wissen.
    »Hallo, Peter. Ich hab mir nur ein bisschen Wasser geholt.«
    »Dann stammt dieser Wisch hier offenbar von dir?«
    Harald tastete nach seiner Hosentasche und stellte zu seiner Bestürzung fest, dass ihm die Zeitung anscheinend herausgefallen war, als er sich nach dem Eimer gebückt hatte.
    Peter entging die Bewegung nicht. »Das sagt alles«, meinte er. »Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, dass du allein schon für den Besitz dieses Schmierblatts hinter Gitter kommen kannst?«
    Das war alles andere als eine leere Drohung: Peter Flemming war von Beruf Inspektor bei der Kriminalpolizei. »In der Stadt liest die doch jeder«, erwiderte Harald. Er bemühte sich zwar um einen forschen Ton, hatte aber doch ein wenig Angst. Die Gemeinheit, ihn festzunehmen, war Peter durchaus zuzutrauen.
    »Wir sind hier nicht in Kopenhagen«, verkündete Peter feierlich.
    Harald wusste, dass Peter jede Chance, einen Olufsen in Misskredit zu bringen, dankbar nutzen würde, und er glaubte auch zu wissen, warum er dennoch zögerte. »Du machst dich bloß lächerlich, wenn du hier auf Sande einen Schüler verhaftest, nur weil er etwas getan hat, was jeder zweite Mensch in diesem Land ganz ungeniert in der Öffentlichkeit tut. Außerdem weiß doch jeder, dass du was gegen meinen Vater hast.«
    Peter war sichtlich hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch, Harald zu demütigen, und der Angst davor, ausgelacht zu werden. »Niemand hat das Recht, gegen das Gesetz zu verstoßen«, sagte er.
    »Gegen wessen Gesetz? Gegen unseres oder gegen das der Deutschen?«
    »Gesetz ist Gesetz.«
    Harald fühlte sich schon wieder etwas sicherer. Wenn Peter wirklich vorhatte, ihn festzunehmen, würde er sich nicht auf eine solche Diskussion einlassen. »Das sagst du doch bloß, weil dein Vater alles tut, damit sich die Nazis in seinem Hotel wohlfühlen, und er ein Heidengeld damit verdient.«
    Das saß. Das Hotel war sehr beliebt bei den deutschen Offizieren, die mehr Geld in der Tasche hatten als die Dänen. Peter errötete vor Zorn. »Während dein Vater Hetzpredigten hält!«, gab er zurück. Es stimmte: Pastor Olufsen hatte die Nazis in seinen Predigten angegriffen. Sein Thema: Jesus war ein Jude. »Weiß dein Vater eigentlich, was auf ihn zukommt, wenn er die Leute so aufhetzt?«, fuhr Peter fort.
    »Aber sicher. Der Gründer der christlichen Religion war ja selber eine Art Rebell.«
    »Komm du mir nicht mit der Religion! Ich muss hier auf Erden für Recht und Ordnung sorgen.«
    »Du kannst mich mal mit Recht und Ordnung! Wir sind ein besetztes Land!« Haralds Enttäuschung über den verdorbenen Abend brach sich Bahn. »Welches Recht haben diese Nazis eigentlich, uns Vorschriften zu machen? Wir sollten diese ganze verfluchte Bande aus dem Land schmeißen!«
    »Du darfst die Deutschen nicht hassen, sie sind unsere Freunde«, erwiderte Peter mit einer frömmelnden Selbstgerechtigkeit, die Harald wahnsinnig machte.
    »Ich hasse die Deutschen nicht, du Vollidiot! Ich hab schließlich deutsche Verwandte.« Die Schwester des Pastors war seit den Zwanzigerjahren mit einem erfolgreichen Hamburger Zahnarzt verheiratet. Ihre Tochter Monika war das erste Mädchen, das Harald geküsst hatte. »Sie haben unter den Nazis mehr zu leiden als wir«, fügte er hinzu. Onkel Joachim war getaufter Christ und saß im Kirchengemeinderat, durfte jedoch aufgrund einer Nazi-Vorschrift wegen seiner jüdischen Herkunft nur Juden behandeln. Damit war seine berufliche Existenz ruiniert. Vor einem Jahr hatte man ihn unter dem Verdacht, er horte Gold, verhaftet und in ein so genanntes »Konzentrationslager« in der kleinen bayerischen Stadt Dachau eingewiesen.
    »Die
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