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Mitternachtserwachen

Mitternachtserwachen

Titel: Mitternachtserwachen
Autoren: Linda Mignani
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zerspringen.
    Lior und Malina tauschten einen Blick des geteilten Leids aus, und gerade wegen der schrecklichen Situation, in der sie steckten, brachen sie in einvernehmliches Lachen aus, denn ansonsten würden sie den Verstand verlieren.
    „Du siehst scheiße aus, Söldner.“
    „Und du erst mal, Baby.“
    Sogar Victor erlaubte sich ein Lächeln, das so ungewohnt auf dem erhabenen Gesicht wirkte, dass Lior damit rechnete, dass seine Mundwinkel zerspringen würden.
    „Es ist Zeit. Würdest du bitte …“
    Lior ließ sich von Victor die Hände auf den Rücken binden.
    Sie stellten sich auf die Transportglyphe, die sie auf die andere Seite brachte, ein paar Kilometer von der Stelle entfernt, an der die anderen gelandet waren. Liors Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnten. Nur die Fackeln der Eistoten erhellten die Umgebung, denn an diesem Ort gab es weder Monde noch Sterne. Hohe Bäume und eine wilde Landschaft wären das Begehren jedes Künstlers und Fantasyliebhabers.
    Die Eistoten verharrten wie Statuen und umringten sie. Malina schubste Lior so hart, dass er zu Boden ging, und sie hielt ihm den gezückten Stab gegen die Kehle.
    „Reiz mich nicht weiter, Söldner. Ich hege keine Bedenken, dir etwas abzuschneiden, ehe wir bei meinem neuen Herrn eintreffen. Ihm ist es egal, in welchem Zustand du in seinem Palazzo eintriffst, solange nur ein wenig Leben in dir ist.“
    Sie nickte Victor zu, und er zog Lior grob auf die Füße. Das Knistern der Fackeln wurde durchbrochen von dem Geschrei der Nachtvögel, die dem Unbedarften das Fleisch von den Knochen picken würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen.
    Lior horchte in sich hinein, versuchte zu erfühlen, ob Aileen lebte, doch er spürte lediglich seinen eigenen rasenden Herzschlag, während er das Schicksal verfluchte, das sie in diese Lage gebracht hatte. Denn innerhalb eines Wimpernschlages konnte alles vergangen sein, und sie hätten zu viel riskiert, zu viele Leben aufs Spiel gesetzt, um welche zu retten, die laut dem Obersten der Lugus es wert waren, gerettet zu werden.
    Victor lief hinter ihm, packte seine Schulter und drückte sie leicht. Das Gardemitglied der Tuatha de Danann hatte eine Menge zu verlieren, und wenn das hier vorbei war, würde die Aufräumaktion innerhalb des Hohen Rates weitergehen. Und Lior würde Norgana persönlich zur Rechenschaft ziehen.
    Die Eistoten stoppten an der Grundstücksgrenze zu dem Palazzo der Atillios. Eine der Frauen legte ihre Handfläche auf den unsichtbaren Schutzwall, murmelte ein paar Worte in der Sprache der Marbhadair, und ein rötlich schimmerndes Loch bildete sich. Schweigend kletterten sie hindurch, und als es sich hinter ihnen schloss, befiel ihn das Böse wie ein Schwarm Wespen, attackierte ihn an jeder Körperstelle, bis er glaubte, die Angst allein könnte ihn töten.
    Malina drehte sich ihm zu. „Spürst du es, Söldner?“ Sie leckte ihm das getrocknete Blut von den Mundwinkeln, spielte ihre Rolle so überzeugend, dass die Donas sogar Lior überzeugte. „Diese wunderbaren Schwingungen in der Luft? So sollte es auch in der Dämonenwelt sein, doch Babylonus …“, sie verzog verächtlich ihre Mundwinkel, „… dieser Schwächling, regiert sein Land mit Nachsicht, anstatt durchzugreifen, so wie es sich für einen König der Dämonen gehört. Aber das wird sich ändern, sobald ich die Herrschaft übernommen habe.“
    Sie liefen eine Einfahrt entlang, erhellt von unzähligen Fackeln, sodass Lior den Tod an jeder Stelle erkennen konnte. Die Natur hatte sich auf dieser Seite aus der Todeszone zurückgezogen. Von den Bäumen waren nur noch verdorrte Skelette übrig, die beinahe anklagend die leeren Äste in den Himmel ragten. Hier gab es kein Leben, nur Verwesung, die in jedem Atemzug lauerte.
    Zwei Eistote bewachten die Eingangstür, die wie von Geisterhand aufschwang. Das Gemälde von Carmel Atillio hing in der Eingangshalle, genauso wie Aileen es gesehen hatte, doch irgendein Scherzbold hatte ihm die Augen herausgeschnitten. Sie liefen durch die Halle auf eine offen stehende Flügeltür zu ihrer Rechten zu.
    „Ah, unser letzter Gast trifft ein“, flüsterte die leblose Stimme von Ralph.
    Victor trat Lior in den Arsch, sodass er über die Türschwelle taumelte und sich gerade noch so eben auf den Beinen hielt. Aileen richtete sich auf, starrte ihn an, aus großen Augen, aus denen beinahe das Blau verschwunden war – die irren roten Augen einer Marbhadair.
    Verdammte
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