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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
Autoren: Mechtild Borrmann
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ungeübten Puppenspielers.
    Die Marktleiterin rief ihnen aufgeregt hinterher. „Frau Koller, Sie können den Kittel nicht einfach mitnehmen. Der ist Firmeneigentum!“
    Joop drehte sich um und warf ihr einen Blick zu, der sie sofort verstummen ließ.
    Er ging hinter den Frauen. Die Sonne stand noch nicht hoch, als sie die Straße überquerten. Er spürte die Wärme im Rücken. Trotzdem war ihm kalt. Ahnungen breiteten sich aus, wuchsen wie sein Schatten, den er jetzt vor sich her schob. Sein Schatten, der sich zwischen ihn und die beiden Frauen legte. Sein Schatten, den er nicht hinter sich lassen konnte. Nicht auf diesem Weg.
    Er atmete gierig ein. Er spürte, dass Angst seine Muskeln verhärtete, spürte den Drang, nicht weiterzugehen. Zurückzubleiben!
    Martina Koller schloss die Wohnung auf, ging in die Küche und setzte sich auf einen der Stühle. Sie legte die Hände in den Schoß und wartete.
    Joop fiel auf, dass er sie immer nur mit gesenktem Kopf sah.
    Gisela Lohmeier ging von Zimmer zu Zimmer.
    Unnatürlich blass stand sie dann in der Küchentür.
    „Frau Koller!“ Noch hatte sie ihre Stimme unter Kontrolle. „Wieso gibt es nur drei Schlafplätze für die Kinder? Wo schläft Daniel?“
    „Im Heim.“ Die Antwort kam wieder leise, aber ganz selbstverständlich. Ganz wahr!
    Gisela Lohmeier und Joop wechselten einen kurzen Blick. Sie schüttelte den Kopf, Tränen schimmerten in ihren Augen.
    Joop legte eine Hand auf Martina Kollers Rücken. „In welchem Heim, Frau Koller? Können Sie uns die Adresse und Telefonnummer geben.“
    „Das Franziskusheim … das Franziskusheim in Dortmund.“
    Gisela Lohmeier zog ihr Handy aus der Tasche und telefonierte mit ihrer Dienststelle.
    Joop hörte ihre Hoffnung heraus, dass irgendwas mit den Unterlagen nicht stimmte. Dass Martina Koller die Wahrheit sagte. Dass ihre Kollegin nur vergessen hatte, die Akten auf den neuesten Stand zu bringen, oder den Vorgang der Heimunterbringung falsch abgelegt hatte.
    „Franziskusheim in Dortmund“, hörte er sie sagen, „… die Telefonnummer.“
    Wieder wählte sie. Zweimal vertippte sie sich, fluchte leise vor sich hin.
    Dann hörte er nur noch Wortfetzen. Wortfetzen, die auch seine letzte Hoffnung zerstörten.
    Er ließ sich auf den Küchenstuhl neben Martina Koller fallen und beugte sich vor.
    „Frau Koller, was ist passiert?“ Die Furcht vor der Antwort machte seine Stimme leise.
    Sie starrte auf ihre Hände, die wie nackte, knochige Vögel in ihrem Schoß lagen.
    „Diese Frau“, flüsterte sie „diese Frau kommt und holt ihn.“
    Joop schluckte.
    „Welche Frau?“
    „Sie steht nachts im Hof.“
    Plötzlich blickte sie erschrocken auf.
    „Nein! Nein! So nicht. Wir sind mit dem Zug gefahren. Ein Schnellzug. Zum Franziskusheim.“ Ihre Vogelhände flatterten auf und legten sich auf ihre Ohren.
    Gisela Lohmeier beugte sich über den Tisch.
    „Wann, Frau Koller? Wann wollen Sie Daniel ins Franziskusheim gebracht haben?“
    Martina begann sich hin und her zu wiegen.
    Dann ließ sie die Arme sinken und schien hinüberzugleiten in eine andere Welt.
    „Die Frau war müde. Sie musste Lina stillen.“
    Gisela Lohmeier zog erschrocken die Luft ein. Ein kehliger Laut entstand.
    Joop sah sie verständnislos an.
    „Was soll das heißen?“, brachte er heiser hervor.
    Gisela Lohmeier zerriss den wispernden Schleier aus Unglaube und Fassungslosigkeit.
    Sie schrie Martina Koller an.
    „Das muss ja fast drei Jahre her sein!“
    Martina Koller schien nun vollends zu erstarren. Geradezu katatonisch saß sie da. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen und für einen Augenblick glaubte Joop van Oss, das sie sich vor seinen Augen auflösen würde.
    Gisela Lohmeier wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange.
    Joop griff zu seinem Handy, ging auf den Flur und telefonierte mit Lembach. „Wir brauchen euch hier“, hörte er sich sagen.
    „Ein verschwundenes Kind“, hörte er sich sagen.
    „Das ist nicht klar, vielleicht schon vor drei Jahren.“
    Jetzt hatte er es ausgesprochen. Laut und deutlich ausgesprochen. Jetzt war es wahr.

48
    Grube hatte die Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen Schrewe und Berger bekommen. Zwei Teams waren rausgefahren. Ohne Ergebnis! Inzwischen hatten Berger und auch Schrewe anwaltlichen Beistand.
    Linda lehnte am Fensterbrett in Grubes Büro, während der wütend Papiere hin und her schichtete.
    „Ich fass es nicht! Wir können denen gar nichts. Wir müssen die laufen lassen. Verdammt
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