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Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen

Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen

Titel: Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
Autoren: Regina Weiser
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und linkshemisphärischem Denken können neue Kräfte und Möglichkeiten entstehen.
    Ich habe oben von der Patientin erzählt, die sich in der Identifikation mit einer höheren Kraft etwas zutraute, das sonst nicht zu ihren Gewohnheiten gehörte. Da sie sonst zurückhaltend und unsicher war, brachte diese von oben kommende Kraft, die sie zu Zivilcourage ermutigte und ihr ermöglichte, selbstbewusst einen Farbigen gegenüber einem diskriminierenden Busfahrer zu verteidigen, etwas Heilsames in ihr Leben. Eingebungen von oben entfalten dann eine gute Kraft, wenn sie an die Umwelt und die Mitmenschen weitergegeben werden, wie es in der Symbolik des Kreuzes durch die waagrechte Linie ausgedrückt wird. Zwischen Größenwahn und falscher Bescheidenheit gibt es einen Punkt, an dem die göttliche schöpferische Energie, gepaart mit der Liebe zu den Mitmenschen, in mir und durch mich hindurchfließen kann.
    Das ist leider nicht immer der Fall. Inwieweit der norwegische Attentäter Breivik tatsächlich davon überzeugt war, etwas Wichtiges für die Menschheit zu tun, lässt sich schlecht von außen beurteilen. Von den Kreuzzügen über die Hexenverbrennungen bis hin zu den heutigen Fundamentalisten östlicher und westlicher Prägung gibt es leider viele Beispiele, wo die (vermeintliche) Identifikation mit einer höheren Macht viel Unheil in die Welt gebracht hat. Die Korrektur findet in der Waagerechten statt, im Austausch und in der Verbindung mit den Mitmenschen, natürlich nicht nur mit den Sektenschwestern und Glaubensbrüdern. In der Bibel steht: »An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen«, im Yoga wird es das Nachspüren genannt: Durch ein beobachtendes Lassen nach dem Tun offenbart sich die Wirkung. Eine meditative Ausführung der Kreuzübung kann helfen zu überprüfen, ob für mich eher die Aufgabe ansteht, die Senkrechte zu pflegen (siehe die Übung »Das Herz öffen für Werte – die Blume«, in Kapitel 3) oder mehr die Waagrechte (siehe die Übung »Krokodil-Variation – Brust- und Herzraum öffnen« in Kapitel 3).
    Die zu Beginn des Kapitels beschriebene Furcht vor der Begegnung mit etwas, das größer ist als ich, kann daher als nützliche Warnung verstanden werden, denn »noch ist Stückwerk unser Erkennen« (1 Kor 13,12). Nicht nur mit dem Bewusstsein der Gefahr, sondern auch mit einer Portion Ehrfurcht vor dem, was kommen mag, will das Neue begrüßt werden. Trotz all der wunderbaren Methoden und Heilmittel, die uns die moderne Schulmedizin, die Psychotherapie und die alternative Medizin (einschließlich Yoga) bieten, wird immer ein Rest bleiben, der nicht in unserer Macht liegt. Man kann es »Schicksal«, man kann es das »höhere Selbst« oder auch »Gott« nennen. Durch ein Fitnessprogramm und/oder Yoga kann ich den Alterungsprozess aufhalten, was ja auch einige achtzigjährige Yoginis und Yogis eindrucksvoll demonstrieren, aber auch sie können krank werden und auch sie werden eines Tages sterben. Die fortschrittsgläubige Überzeugung, alles kontrollieren zu können, führt daher eher zur Erzeugung von Angst, da für Leid und Schicksalsschläge nur die Interpretation »Versagen« und »selber schuld« übrig bleibt. Die Anerkennung von etwas Größerem, das nicht meinem Einflussbereich unterliegt, eröffnet mehr Deutungs- und damit auch mehr Handlungsmöglichkeiten.
    In meiner Praxis sind mir viele Menschen begegnet, deren natürliche kindliche Bereitschaft zum Staunen und zur Ehrfurcht missbraucht wurde. Das Göttliche wurde folglich mit Macht und Unterwerfung assoziiert. Doch auch wenn die Beziehung zu Gott oder dem Göttlichen beschädigt wurde, lassen sich manchmal andere Bezugsgrößen finden, die eine Einbettung in eine übergeordnete Instanz ermöglichen. So konnte etwa einer meiner Patienten, der als Kind unter einem gewalttätigen Vater gelitten hatte, zu Mutter Erde eine positive Beziehung aufbauen und sich in einer urtümlichen Naturreligion beheimatet fühlen.
    Wir können den Zeitpunkt für einen neuen Reifungsschritt in der Regel nicht planen und tun gut daran, ihn als immer wieder notwendige Weiterentwicklung zu sehen, wie es Hermann Hesse in seinem Gedicht Stufen so wunderbar beschreibt: 67
    Stufen
    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
    Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
    Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
    Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
    Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
    Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
    Um sich in Tapferkeit und ohne
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