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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten
Autoren: Agatha Christie
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nicht überzeugt.
    Anne sagte gereizt:
    «Jedenfalls sehe ich nicht ein, warum. Es hat nichts mit all dem zu tun.»
    «Nein, natürlich nicht.»
    «Ich war nur ungefähr zwei Monate dort. Er braucht diese Dinge nur als – nun – als Referenzen. Zwei Monate zählen nicht.»
    «Nein. Ich weiß. Ich habe bestimmt unrecht, aber es beunruhigt mich. Ich habe das Gefühl, du solltest es sagen. Weißt du, wenn es irgendwie anders herauskäme, würde es einen schlechten Eindruck machen, dass du so etwas geheim hältst.»
    «Ich sehe nicht, wie es herauskommen soll. Niemand weiß es außer dir.»
    «M-meinst du?»
    Anne stürzte sich auf das leichte Stocken in Rhodas Stimme.
    «Warum, wer weiß es noch?»
    «Nun, allein Combeacre», sagte Rhoda nach einer Pause.
    «Oh, das!» Anne tat es mit einem Achselzucken ab. «Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Superintendent jemandem von dort begegnet. Wenn ja, so wäre es ein unglaublicher Zufall.»
    «Aber solche Zufälle kommen vor.»
    «Rhoda, was hast du eigentlich damit? Du tust so übertrieben.»
    «Ich will dich nicht quälen. Aber du weißt, wie die Polizei sein kann, wenn sie glaubt – nun –, dass du etwas verbirgst.»
    «Sie werden es nicht erfahren. Wer soll es ihnen denn sagen? Niemand weiß es außer dir.»
    Es war das zweite Mal, dass sie diese Worte aussprach. Bei dieser zweiten Wiederholung änderte sich der Tonfall ihrer Stimme ein wenig – er bekam etwas seltsam Lauerndes.
    «Ach, ich wollte, du würdest es sagen», seufzte Rhoda betrübt. Sie blickte entschuldigend auf Anne, aber Anne sah sie nicht an. Sie saß stirnrunzelnd da, als wäre sie mit einem wichtigen Problem beschäftigt.
    «Nett, dass Major Despard kommt», sagte Rhoda.
    «Wie? O ja.»
    «Anne, er ist wirklich reizend. Wenn du ihn nicht willst, bitte, bitte, bitte überlass ihn mir!»
    «Sei nicht kindisch, Rhoda. Ich bin ihm völlig gleichgültig.»
    «Warum kommt er dann immer? Natürlich schwärmt er für dich. Du bist gerade der Typ der verfolgten Unschuld, die er mit Begeisterung retten möchte. Du schaust so wundervoll hilflos aus, Anne.»
    «Er ist zu uns beiden gleich nett.»
    «Das ist nur seine gute Erziehung. Aber wenn du ihn nicht willst, könnte ich die mitfühlende Freundin spielen – sein gebrochenes Herz kitten usw. und zum Schluss könnte ich ihn kriegen. Wer weiß?», schloss Rhoda nicht sehr geschmackvoll.
    «Ich überlasse ihn dir gern, meine Liebe», sagte Anne lachend.
    «Er hat einen so wunderschönen Nacken», seufzte Rhoda, «ganz braun und muskulös.»
    «Sag mal, musst du so geschmacklos sein?»
    «Magst du ihn, Anne?»
    «Ja, sehr.»
    «Sind wir nicht züchtig und sittsam? Ich glaube, er mag mich auch ein wenig – nicht so sehr wie dich –, aber ein ganz klein wenig.»
    «Oh, er mag dich sehr.»
    Wieder war etwas Fremdes in ihrer Stimme, aber Rhoda hörte es nicht.
    «Wann kommt unser Spürhund?», fragte sie.
    «Um zwölf», antwortete Anne. Sie schwieg eine Weile, und dann sagte sie:
    «Es ist erst halb elf. Gehen wir zum Fluss.»
    «Aber ist es nicht – hat nicht – hat nicht Despard gesagt, dass er um elf kommt?»
    «Warum sollen wir auf ihn warten. Wir können Mrs Astwell sagen, wohin wir gegangen sind, und er kann uns am Ufer entlang nachkommen.»
    «Das soll heißen, dass wir uns ihm nicht an den Hals werfen wollen», meinte Rhoda lachend. «Also gut, gehen wir.»
    Sie ging aus dem Zimmer und durch das Gartentor, Anne folgte ihr.
    Major Despard erschien ungefähr zehn Minuten später in Wendon Cottage. Er wusste, dass er vor der Zeit da war, und war daher etwas erstaunt, dass beide Mädchen schon ausgeflogen waren.
    Er ging durch den Garten, quer über die Felder und dann nach rechts den Uferweg entlang.
    Mrs Astwell blieb stehen und blickte ihm ein, zwei Minuten lang nach, anstatt mit ihrer Morgenarbeit fortzufahren.
    «Verliebt in eine von den beiden», bemerkte sie zu sich selbst. «Ich glaube, es ist Miss Anne, aber ich bin nicht sicher. Man merkt ihm nichts an. Behandelt beide gleich. Ich weiß nicht, ob sie nicht alle beide auch in ihn verliebt sind. Wenn, so werden sie nicht mehr lange so unzertrennliche Freundinnen bleiben. Wenn ein Mann dazwischenkommt, ist es gleich aus mit der Freundschaft.»
    Angenehm erregt durch die Aussicht, eine aufkeimende Romanze mitzuerleben, ging Mrs Astwell wieder an ihre Arbeit und machte sich daran, das Frühstücksgeschirr abzuwaschen, als es wieder an der Haustür klingelte.
    «Zum Teufel mit dieser Tür»,
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