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Mit Herz und Skalpell

Mit Herz und Skalpell

Titel: Mit Herz und Skalpell
Autoren: Julia Schoening
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entschuldige, ich wollte dich nicht stören.«
    »Kein Problem.« Linda war froh über die Ablenkung. Sie schob das Diktiergerät von sich weg.
    »Ich muss noch ein paar Sachen von mir hier rausholen.« Yvonne schloss einen Schrank auf und nahm einige Bücher heraus. »Du kannst den Schrank jetzt gern benutzen, wenn du willst. Ich lass dir den Schlüssel hier.«
    »Vielen Dank.« Linda griff sich in den Nacken und versuchte die angespannten Muskeln etwas zu lockern.
    Yvonne legte die Bücher auf dem Schreibtisch ab und musterte sie mitfühlend. »Du siehst aus, als könntest du einen Kaffee gebrauchen. War es bisher so schlimm?«
    Linda nickte stumm.
    »Ich bin sofort wieder da.«
    Wenig später stellte Yvonne zwei randvolle Kaffeetassen neben Linda ab. Sie zog sich einen Stuhl zurecht und setzte sich. »Und jetzt erzähl mal. Liegt es an Alexandra? Ich habe dich ja gewarnt.«
    Linda seufzte. »Es ist einfach alles so viel. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Das geht jedem am Anfang so«, sagte Yvonne und lächelte aufmunternd. »Nimm dir das nicht zu Herzen. Wenn du dich erst einmal durchgekämpft hast, wird es besser.«
    »Meinst du?« Linda umklammerte ihre Tasse. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendwann wirklich besser werden sollte.
    »Ganz bestimmt. Aber hier sind die Bedingungen besonders schwierig.«
    »Wieso denn das?«
    Yvonnes Blick verdunkelte sich. »Alexandra.«
    »Wie meinst du das?« Linda richtete sich auf.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, hier weg zu sein«, erklärte Yvonne mit Nachdruck. »Sie ist eine hervorragende Chirurgin, ich habe viel von ihr gelernt. Wirklich. Aber sie erwartet viel zu viel. Sie hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Es war nie genug. Ihr ist immer noch etwas eingefallen. Glaubst du, ich habe jemals ein Lob von ihr gehört?«
    Linda schluckte. Natürlich hatte Alexandra hohe Erwartungen und verlangte viel. Aber dass sie so schlimm war, das konnte Linda sich nicht vorstellen. Oder sie wollte nicht. »Hm«, machte sie und drehte ihre Tasse in den Händen.
    »Du glaubst mir nicht? Warte mal ab.« Yvonne wickelte sich eine Strähne ihrer langen, rotblonden Haare um den Finger. »Sie hat nicht umsonst den größten Verschleiß an Assistentinnen. Mit ihr hält es niemand lange aus.« Ein verschwörerisches Lächeln umspielte ihre Lippen: »Und das nicht nur beruflich.«
    Linda zog die Stirn kraus. Was wollte Yvonne damit nun wieder andeuten?
    »Du willst doch nicht sagen«, fragte Yvonne mit hochgezogenen Brauen, »dass du noch nicht ihre Blicke bemerkt hast? Junge Frauen haben es ihr besonders angetan. Das munkelt man jedenfalls. Ich passte wohl nicht in ihr Beuteschema.«
    Alexandras umwerfendes Lächeln schoss Linda in den Sinn. Ihre braunen Augen, mit denen sie Linda so intensiv ansah, dass Lindas ganzer Körper kribbelte.
    Yvonne grinste. »Aber du bist genau ihr Typ. Also, sei vorsichtig, wenn du nicht willst, dass sie dich zerlegt. Sie ist gefährlich. Sie hat schon der einen oder anderen Frau das Herz gebrochen.« Damit stand sie auf und nahm ihre Bücher. »Und jetzt lass ich dich weiter arbeiten.«
    Doch als Yvonne das Arztzimmer verlassen hatte, konnte Linda sich kein bisschen besser konzentrieren als zuvor. Ganz im Gegenteil. Yvonnes Worte schwirrten in ihrem Kopf umher, immer wieder und wieder, wie in einer Endlosschleife. Jedes Mal, wenn Linda tief einatmete, hatte sie das Gefühl, dass Alexandras Duft noch in der Luft hing. Warum nur musste sie ständig an Alexandra denken?
~*~*~*~
    N ach einer Woche war es endlich so weit: Linda durfte das erste Mal Alexandra im OP assistieren. Natürlich war sie während ihrer zahlreichen Praktika schon im Operationssaal gewesen, aber dieses Mal war es etwas anderes. Erstmals trug sie auch Verantwortung, wenn auch nur ein bisschen.
    Routiniert zog sich Linda in der Umkleide um, legte allen Schmuck ab, tauschte ihre normale Garderobe gegen die grüne OP-Kleidung, bedeckte ihre Haare mit einer Haube und setzte sich den Mundschutz auf. Zum Schluss schlüpfte sie in die grünen OP-Latschen. Zufrieden begutachtete sie sich im Spiegel. Genau das war es, was sie sich immer erträumt hatte: Sie war Chirurgin. In diesem Outfit fühlte sie sich wohl.
    Sie verließ die Umkleide und suchte den richtigen OP-Saal. Der Flur war kühl. Alles sah gleich aus – grau, metallisch, steril. Nur die Deckenstrahler spendeten Licht, Fenster gab es nicht. Die Operationssäle verbargen sich hinter großen
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