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Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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Spinnenseide. Der süße Lebergeruch war hier stärker.
    Ich trat näher.
    An jeder Schnur hing eine fleischige Masse etwa von der Größe meiner Faust. Unter jedem Klumpen stand ein kleiner Brenner mit Schutzschirm.
    Bärengallen! Offensichtlich waren sie bereits getrocknet, denn die Brenner waren nicht an.
    Empörung und Wut vertrieben den letzten Rest meiner Klaustrophobie.
    Tu was! Und zwar schnell. Die Wolkenlücke bleibt nicht ewig.
    Ich riss Streichholz Nummer fünf an und ging zum anderen Ende des Tisches.
    Aktenschränke. Parkschilder. Blumenständer mit langen, dornenartigen Spitzen. Ein Kindersarg. Ein kleiner Stahltresor. Rollen mit Kunstrasen. Ein Zelt.
    Ich rollte ein Stück der Leinwand auf, packte einen Zeltpflock, steckte ihn in die Tasche und durchquerte den Raum.
    Such Kerzen! Mach dir Licht an der Tür. Versuch, mit dem Zehpflock das Schloss aufzubrechen oder die Beschläge abzustemmen.
    Kaum atmend, riss ich das letzte Streichholz an und schaute in die Kartons.
    Einbalsamierungsflüssigkeiten. Härtemittel.
    Ich ging zum Regal, kauerte mich hin, spähte in eine offene Kiste.
    Augendeckel. Hohlnadelstopps. Skalpelle. Drainageschläuche, Nadeln, Spritzen. Nichts, womit man eine Tür aufbrechen könnte.
    Es wurde wieder dunkler in dem Keller.
    Konnte ich einen der Brenner bewegen? Konnte ich ihn anzünden?
    Ich stand auf.
    Die oberen Regalfächer enthielten eine ganze Musterkollektion von Urnen in Bronze und Marmor. Ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Tutenchamuns Totenmaske. Eine knorrige Eiche. Ein griechischer Gott. Eine Doppelkrypta.
    O Gott. Enthielten diese Urnen vielleicht Asche? Starrten die nicht abgeholten Toten auf mich in meiner Notlage herab? Könnte man mit einem Bronzeadler eine Holztür zertrümmern? Konnte ich ihn heben?
    Die Wolkendecke schloss sich. Wieder herrschte Finsternis im Keller.
    Ich tastete mich zum Tisch zurück, kletterte hinauf, spähte hinaus. Konnte ich irgendjemands Aufmerksamkeit erregen?
    Wollte ich das überhaupt? Würde der haarige Fremde zurückkommen und mich endgültig erledigen?
    Schienbein und Gesicht pochten vor Schmerz. Tränen brannten mir auf den Innenseiten der Lider. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte sie.
    Die Außenwelt war eine Studie in Schwarz.
    Minuten vergingen. Stunden. Jahrtausende.
    Ich kämpfte gegen das Gefühl der Hilflosigkeit an. Irgendwann würde sicher jemand kommen. Aber wer? Wie spät war es?
    Ich schaute auf die Uhr. Die Dunkelheit war so dick, dass ich meine Hand nicht sehen konnte.
    Wer wusste, dass ich hier war? Verzweiflung krallte sich in mein Hirn. Kein Mensch!
    Plötzlich tauchte ein Licht auf, es flackerte, als würde es sich zwischen den Bäumen bewegen.
    Ich sah zu, wie das Licht auf die dichtere Schwärze – dort, wo der Schuppen war –, zutanzte. Als es näher kam, öffnete ich den Mund, um zu schreien, beherrschte mich dann aber. Allmählich erkannte ich die Gestalt eines Mannes. Er kam sehr dicht heran und verschwand schließlich aus meinem Gesichtsfeld.
    Über mir knallte eine Tür.
    Ich ließ mich vom Tisch gleiten, eilte quer durch den Raum und versteckte mich hinter dem entfernten Ende des Regals. Das Ding wackelte, als ich dagegen drückte. Ich griff in die Tasche, zog den Zeltpflock heraus, umklammerte ihn fest mit den Fingern und ließ ihn mit der Spitze nach unten seitlich herabhängen.
    Augenblicke später hörte ich vor der Kellertür eine Bewegung. Ein Schlüssel wurde im Schloss gedreht. Die Tür ging auf.
    Flach atmend, spähte ich zwischen den Urnen hindurch.
    Der Mann blieb in der Tür stehen, die Laterne hoch über die Schulter erhoben. Er war klein und muskulös, hatte dichte schwarze Haare und asiatische Augen. Die Hemdsärmel waren aufgerollt, über seinem rechten Handgelenk war eine Tätowierung zu erkennen. Semper Fi.
    Hershey Zamzow hatte von einem koreanischen Mittelsmann beim Bärengallenschmuggel gesprochen.
    Sonny Pounder hatte von einem koreanischen Händler gesprochen, einem mit Insider-Beziehungen.
    Ricky Don Dorton arbeitete bei seinen Drogengeschäften in Vietnam mit einem Kumpel aus dem Marine Corps zusammen.
    Terry Woolsey war argwöhnisch in Bezug auf den Tod ihres Liebhabers und in Bezug auf seinen Nachfolger als Coroner.
    In Sekundenschnelle fügte mein Hirn noch ein Bild zusammen.
    Mein Angreifer war der Mann, der Murray Snows Leiche so hastig einbalsamiert hatte. Der Mann, der Wally Cagle besucht hatte. Der Mann, der zusammen mit Ricky Don Dorton Drogen und
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