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Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Autoren: Jana Voosen
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Recht!«
    An diesem Abend sitze ich in meine Kuscheldecke gehüllt auf der Couch und starre auf das weiße Rechteck an der gegenüberliegenden Wand. Was ist, wenn ich nicht Recht habe? Was dann? Von hinten höre ich Schritte näher kommen, und gleich darauf lässt sich Lutz neben mir aufs Sofa fallen. Ich spüre seinen besorgten Blick auf mir ruhen, starre aber weiterhin vor mich hin.
    »Sag Laura Hansen bitte, dass dies der letzte Auftrag ist, den wir für sie ausführen können«, sage ich mit bemüht neutraler Stimme und fühle mich gleich etwas besser. Vielleicht hätte ich das schon vor Monaten tun sollen.
    »Okay.«
    »Danke.«
    »Vivi, meinst du nicht, es wäre jetzt an der Zeit, Simon endlich deine Liebe zu gestehen?«, erkundigt sich Lutz, und ich rolle die Augen gen Himmel. Wieso muss der bloß immer so pathetisch sein? »Vielleicht ist das die letzte Gelegenheit«, fährt er fort.
    »Wir werden ja sehen, ob Laura mit ihrem Antrag«, hier schnaube ich verächtlich, »Erfolg bei ihm hat.«
    »Und wenn er Ja sagt?«, gibt Lutz zu bedenken, und ich sehe ihn hilflos an.
    »Dann liebt er sie wohl«, antworte ich. »Dann kann ich sowieso nicht dazwischenfunken. Sondern mich höchstens lächerlich machen, und das habe ich meiner Meinung nach schon zur Genüge getan.«
    »Die Liebe macht auch kluge Leute zu Narren«, meint er altklug, und ich werfe ihm einen giftigen Blick zu. Doch er redet ungerührt weiter auf mich ein: »Aber weshalb liebt er Laura? Vielleicht liegt es an ihren wundervollen Worten, mit denen sie in ihren Briefen ihre Liebe zu ihm ausdrückt. Oder an der zweistöckigen Geburtstagstorte mit den dreiunddreißig Marzipanherzen?« Er fasst meine beiden Hände und sieht mich glühend an. »Es ist wie bei Cyrano de Bergerac. Simon liebt die falsche Frau.«
    »Jetzt hör endlich auf mit dem Blödsinn«, sage ich heftig und entreiße ihm meine Hände. »Ich will nichts mehr davon hören!«
     
    Ich befinde mich auf dem Weg zu meinen Dachboden. Es ist Freitagabend, acht Uhr dreißig. Den ganzen Tag habe ich mich bemüht, nicht daran zu denken, aber Fakt ist, dass vor einer halben Stunde jenes schicksalsträchtige Picknick im Wald begonnen hat, mit dessen Höhepunkt Simon und Laura von dem Status »Pärchen« in »Lebensgefährten« überwechseln. Und dann kann es nicht mehr lange dauern, bis sie Eheleute sind, und schließlich Eltern. Oh Gott, ich mag nicht darüber nachdenken. Das ist nicht meine Angelegenheit, ich sollte tatsächlich endlich loslassen und mein eigenes Leben führen. Auf dem Speicher angekommen, schnappe ich erst mal nach Luft. Hier oben ist es stickig warm, kein Wunder bei der Hitze, die seit einer Woche drückend über Hamburg liegt. Kein Lüftchen weht, und die Sonne brennt für Mitte Mai geradezu unanständig auf die Stadt herab. Auch wenn man sich tagsüber lieber nach drinnen verzieht, sind die Nächte wunderschön und warm. Genau richtig für ein romantisches Picknick. So ein Mist! Warum kann es nicht wenigstens in Strömen regnen? Seufzend greife ich nach dem Karton, auf dem in fetten, schrägen Buchstaben »Simon« geschrieben steht. Ich hole tief Luft und öffne den Deckel. Stofftiere, getrocknete Blumen, bunte Briefumschläge kullern wild durcheinander, ganz unten liegt der Weihnachtsmann-Adventskalender vom letzten Jahr.
    »Also wirklich«, hustet er empört, »ist denn das eine Art, mit einem alten Mann umzugehen?« Ich packe ihn an der Zipfelmütze und lege ihn vor mich auf den Steinboden.
    Reichlich ramponiert sieht er aus, und entsprechend vorwurfsvoll schielt er auch zu mir hoch. Seine Gaben hängen leicht zerdrückt von ihm herunter, und ohne es wirklich zu wollen, pflücke ich eine davon ab und reiße das Geschenkpapier herunter. Wenige Minuten später sitze ich heulend auf dem kalten Steinfußboden in einem glänzenden Papierberg, vor mir all meine Lieblingssüßigkeiten, Liebesgedichte, vier allerliebste Eierbecher mit Füßen dran, eine Duftkerze und Badeöl. In dem Päckchen Nummer 14 finde ich einen kleinen, beschriebenen Zettel: »Was ist der Unterschied zwischen einem Eunuchen und einem Unternehmensberater? Es gibt keinen! Beide wissen wie es geht. Aber keiner kann es.« Ich ringe mir ein tieftrauriges Lächeln ab.
    »Ach komm schon, Vivi, wo ist denn dein Humor geblieben«, macht mich Santa Claus schon wieder dumm von der Seite an. »Der war doch nun wirklich gut.«
    »Ja, der war gut«, gebe ich zu, stecke mir mit zitternden Fingern ein Marzipanherz in den
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