Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)

Titel: Mit freundlichen Küssen: Roman (German Edition)
Autoren: Jana Voosen
Vom Netzwerk:
Mund und kaue. Es zerbröselt auf meiner Zunge, kein Wunder, nachdem es monatelang hier oben rumgelegen hat. Dennoch zwinge ich mich zu schlucken. Ein letztes Päckchen, die 24. Das schaffe ich noch, und dann ist es vorbei. Dann kommt das ganze Zeug in den Müll, damit es meiner Zukunft nicht länger im Wege steht. Ich fummele an dem Tesafilm herum, gebe schließlich entnervt auf und zerfetze mit einem Ruck das Papier. Ein kleiner Gegenstand fällt klirrend zu Boden. Fassungslos starre ich auf den schmalen, weißgoldenen Ring mit dem eingefassten, herzförmigen Diamant. Plötzlich fühlt es sich an, als steckte mein Brustkorb in einem Schraubstock, der unerbittlich zugedreht wird. Zögernd greife ich nach dem Schmuckstück, drehe es hin und her. Fasziniert beobachte ich, wie sich das schwache Licht der Glühbirne in dem funkelnden Stein bricht. Dann entdecke ich die Gravur auf der Innenseite:
    »4ever?«
    »Lutz«, brülle ich und stürme ohne anzuklopfen in sein Zimmer. Zwei nackte Leiber fahren erschrocken auseinander, aber ich bin viel zu aufgeregt, um mich auch nur abzuwenden.
    »Was ist denn los?«, fragt der Angesprochene halb erschrocken, halb verärgert, während er schützend die Decke über Luisa wirft.
    »Wo sind Simon und Luisa, ich muss sofort dahin!«, rufe ich aufgeregt, stürze vor und packe sein Handgelenk.
    »He, Moment, darf ich mir wenigstens noch was anziehen?«, fragt er, nachdem ich ihn auf die Füße gezogen habe und er in all seiner männlichen Pracht vor mir steht.
    »Wo sind sie?«, wiederhole ich dringlich und zittere dabei am ganzen Körper. Hoffentlich ist es nicht zu spät. Bitte, lass es noch nicht zu spät sein.
    »Im Duvenstedter Brook«, antwortet Lutz, und ich stöhne gequält auf.
    »Warum denn ausgerechnet da?«, frage ich fassungslos. Das ist eine halbe Weltreise. Hätte die verfluchte Laura denn ihren Antrag nicht einfach im Schanzenpark hier um die Ecke machen können?
    »Soweit ich das verstanden habe, wohnen ihre Eltern da auf einem Hof und …« Na prima, mit Familienanschluss!
    »Ich muss da hin«, beschließe ich und stürze hinaus. Im Flur schnappe ich mir den Autoschlüssel und verlasse, ohne mir auch nur eine Jacke überzuziehen, die Wohnung. Als ich meinen Golf erreiche, höre ich hinter mir atemloses Keuchen. Als mich jemand am Arm fasst, fahre ich herum und sehe Lutz, dessen Oberkörper erst halb in seinem Shirt steckt.
    »Ich fahre«, sagt er brüsk und schiebt mich von der Fahrertür weg.
    »Danke«, sage ich inbrünstig. Dann lasse ich mich auf dem Beifahrersitz nieder und schließe die Augen. Bitte, lass mich nicht zu spät kommen!
     
    »Ist es noch weit?«, flüstere ich Lutz zu, während ich hinter ihm her durch den dunklen Wald stolpere. Es ist stockfinster, und wir würden die Hand nicht vor Augen sehen, wenn er nicht geistesgegenwärtig eine Taschenlampe mitgenommen hätte. Hand in Hand folgen wir dem schmalen Lichtkegel. Fröstelnd ziehe ich die Schultern nach oben, denn mit meinem dünnen Spagettiträgertop bin ich auch für eine laue Sommernacht nicht warm genug angezogen. Es knackt dicht neben uns im Unterholz, ein Uhu schreit in der Ferne. »Sag mal, es gibt hier aber nicht irgendwelche gefährlichen Tiere, oder?«, frage ich albernerweise und kann nur erahnen, dass Lutz lächelnd den Kopf schüttelt.
    »Keine Angst, niemand wird dich fressen.«
    »Außer vielleicht Laura, wenn ich in ihr romantisches Date reinplatze«, sage ich bedrückt und möchte einen Moment lang am liebsten Reißaus nehmen. »Wo sind sie denn nun?« Ich spähe konzentriert in die Dunkelheit, aber rund um uns herum ist nur schwarze Nacht. Eigentlich ist das Ambiente kein bisschen romantisch. Eher furchterregend.
    »Ich weiß auch nicht«, meint Lutz jetzt, und ich meine, eine leichte Irritation in seiner Stimme herauszuhören. Ich bleibe abrupt stehen.
    »Wie meinst du das?«, frage ich entsetzt. »Willst du damit etwa sagen, wir haben uns verlaufen?« Die Angst kriecht mir den Rücken hinauf. Zum einen davor, nicht rechtzeitig bei Laura und Simon anzukommen. Doch zum anderen auch davor, hier möglicherweise die Nacht verbringen zu müssen. Wie bei »Hänsel und Gretel«, das fand ich schon als Kind höchst furchterregend. Alleine im Wald, all seinen unbekannten Gefahren ausgesetzt. Schon wieder knackt es ein Stück entfernt von mir, und ich mache einen Satz nach rechts. Dabei fährt ein scharfer Schmerz durch meinen Knöchel. Auch das noch.
    »Auuu«, jaule ich langgezogen auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher