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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz
Autoren: Andrea Schacht
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seine Mutter die Heilige Jungfrau auch schon darum gebeten hatte, ihm endlich die Einsicht zu schenken, seines Vaters Wunsch zu erfüllen.
    »Malefiz!«
    Pitters Stimme klang fordernd, und Marian erhob sich pflichtbewusst.
    Er mochte feige sein, aber er war auch stur.
    Als er in die Barbierstube trat, war der Wachmann verschwunden, die blutigen Spuren der Operation beseitigt, und es stand ein großer, breitschultriger Mann im Raum, dessen dunkle Haare wie von Silber bestäubt wirkten. Auch auf seinen mageren Wangen schimmerte es silbern und schwarz.
    Marian zog sich die Gugel tiefer in die Stirn.
    »Nein, ich möchte nicht von deinem Gehilfen barbiert werden, Pitter. Du wirst das Messer selbst schwingen«, erklärte der Mann.
    »Du willst ein tapferer Ritter sein und fürchtest die Klinge eines Jünglings?«
    »Sie käme mir zu nahe an die Gurgel.«
    »Ach, und wenn ich sie führe, dann bist du voll Vertrauen?«
    »Sagen wir so – Vertrauen in meine Fähigkeit, dir deine Kehle mit dem eigenen Barbiermesser schneller durchzuschneiden, als du an meine gelangst.«
    »Großmaul!«
    »Nur meiner Fähigkeiten sehr sicher.«
    »Angeber!«
    »Schön, es gibt andere Badehäuser.«
    »Wo dir die Barbiergehilfen Schrunden in dein hübsches Gesicht schnitzen werden.«
    »Genau wie die Gehilfen hier. Also, Pitter, lass mir einen Becher Wein bringen, und walte deines Amtes.«
    »Den Wein sollst du bekommen, aber mein Gehilfe wird dich scheren.«
    »Und Schrunden in mein hübsches Gesicht schnitzen …«
    »Eitler Pfau!«
    Marian zog die Gugel noch ein Stückchen tiefer, jetzt aber, um sein Grinsen zu verstecken.
    Er kannte den Ritter Fredegar von Sechtem seit Langem. Er war ein Freund seiner Eltern, Pitters Kamerad aus Jungentagen. Den Abenteuern, die die beiden zusammen bestanden hatten, hatten er und seine Schwester Alyss schon von Kindheit an mit Begeisterung gelauscht. Als sie eben sieben Jahre alt waren, hatten sie der Schwertleite des jungen Ritters beiwohnen dürfen, und in den Jahren danach war Herr Fredegar oft genug zu Gast in ihrem Haus gewesen. Bei einem Turnier in Köln hatte Herr Fredegar sogar das Turnierband von Marians damals elfjähriger Schwester angenommen. Er erinnerte sich noch sehr genau daran, wie stolz Alyss gewesen war, dass der Ritter in seinem blauweißen Wappenrock für sie gekämpft hatte.
    »In Gottes Namen, dann soll der Tropf mich scheren. Die Haare kann er mir auch gleich stutzen.«
    »Gewiss, edler Herr Ritter. Und seid versichert, er ist gewandt mit dem Kautereisen, sollte es zu blutigen Wunden kommen.«
    Geschäftig kramte Marian in den Messern und zog selbstverständlich mit großer Geste auch den Stahl hervor, um ihn in die Kohlenpfanne zu legen. Blutende Wunden wurden oft mit den glühenden Eisen verschlossen. Keine angenehme, aber praktikable Lösung. Allerdings pflegte man sie nicht bei den kleinen Schnittwunden anzuwenden, die beim Rasieren entstehen konnten.
    Ritter Fredegar beobachtete ihn mit scharfen Blicken, als er sich auf den Barbierstuhl setzte.
    »Leidet der Junge an Kopfkrätze, dass er sich so unter seiner Gugel verstecken muss?«
    »Nein, nein. Nur seine verwachsene Fratze verschreckt oft die Kunden«, erwiderte Pitter und legte Fredegar ein weißes Leinentuch um Brust und Schultern.
    »Pass auf, Malefiz, dass das Blut nur auf das Leinen spritzt und nicht die vornehme Kleidung des Ritters besudelt«, mahnte er dann.
    »Er soll mich barbieren, nicht massakrieren!«, knurrte Fredegar. Und als Marian mit dem Messer in der Hand an den Stuhl trat, schoss seine Hand unter dem Leinen hervor und zerrte dem Badergehilfen die Gugel vom Kopf.
    »Als hätte ich mir das nicht denken können. Jung-Marian!«
    »Stets zu Diensten, Herr Fredegar. Hebt das Kinn, damit ich an Eure Kehle komme.«
    »Aber ganz gewiss nicht, Freundchen. Ich glaube kaum, dass du des Barbierens mächtig bist. Bei deinem Milchgesicht reicht doch ein weicher Lappen, um die feinen Fusseln abzureiben.«
    »Manche Frauen lieben weiche Wangen mehr als raue Stoppelfelder. Ich bin Gott dankbar für meine samtige Haut, die mir allerlei blutige Schrunden erspart. Aber gelernt habe ich den Umgang mit den scharfen Messerchen von Eurem Freund, dem Badermeister Pitter höchstselbst, und geschliffen wurden die Klingen von Gislindis’ zarter Hand. Also vertraut Euch mir an, edler Herr.«
    »Wer mag Gislindis sein?«
    »Des Messerschleifers schöne Tochter«, erklärte Pitter grinsend. »Die, soweit ich es beurteilen kann, einer
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