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Mit einer Prise Glück und Liebe

Mit einer Prise Glück und Liebe

Titel: Mit einer Prise Glück und Liebe
Autoren: B O'Neal
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verhungert, gerade einmal drei oder vier Monate alt. Selbst damals war er eine der schönsten Katzen, die ich jemals gesehen habe. Sein Miauen war kaum mehr als ein leises, hohes Quieken anstelle des gewohnt penetranten Jaulens. Er ist scheu und distanziert und nicht gerade freundlich zu anderen Menschen, nur zu mir. Ich frage mich, wie er mit dem Hund zurechtkommen wird, der morgen früh bei uns einzieht.
    Wahrscheinlich nicht sonderlich gut.
    »Tut mir leid, dass jetzt auch noch ein Hund zu uns kommt, mein Süßer«, sage ich im Plauderton zu ihm. »Normalerweise würde ich dir so etwas nie antun, aber dieses kleine Mädchen braucht nun mal jemanden an ihrer Seite, und Hunde sind perfekt für diesen Zweck geeignet.« Milo schmiegt den Kopf in meine Handfläche und bettelt darum, das Gesicht gekrault zu bekommen, und als ich gehorche, leckt er behutsam meine Finger, als wäre ich sein Baby.
    Meine Mutter hat fast drei Stunden gebraucht, um den Transport des Hundes auf die Beine zu stellen. Merlin hatte keinen gültigen Impfnachweis, ohne den er nicht transportiert werden durfte. Ein Tierarzt hatte sich bereiterklärt, zum Flughafen zu fahren und ihm die Spritzen zu geben, während ein Flughafenmitarbeiter ihm frisches Wasser und Futter gebracht hatte.
    Morgen früh wird er in einem brandneuen Käfig mit ausgepolsterten Seitenwänden für zweihundert Dollar nach Colorado Springs geflogen, wo mein Bruder wieder übernehmen muss, da er der Hundeexperte in der Familie ist. Am Ende des Arrangements schrie meine Kreditkarte zwar laut um Hilfe, aber was hätte ich denn tun sollen?
    Früher am Abend hatte ich Katie zu einem Spaziergang durch die Nachbarschaft mitgenommen, um ihr alles zu zeigen – den Supermarkt, das Postamt, die von Boutiquen, Galerien und Bars gesäumte Touristenmeile auf der West Colorado Avenue und die hügeligen Straßen mit den hübschen Häusern im viktorianischen Stil und den Bungalows mit ihren gepflegten Vorgärten. »Es ist schön hier«, meinte sie mit einem Anflug von Staunen. »Ich erinnere mich nicht mehr, dass es so in Colorado Springs aussieht.«
    »Hast du hier mal gewohnt?«
    »Ja, als ich noch klein war. Ich glaube, es war in Fort Carson. Aber ich erinnere mich nicht mehr so genau daran.«
    Beim Nachhausekommen fragte sie, ob sie ins Internet dürfe, also richtete ich ihr einen eigenen Account ein und ließ sie allein. Als Icon wählte sie ein Foto ihres Hundes. Sie hat eine eigene Mailadresse, was logisch ist – schließlich ist so etwas heute ja ein Kinderspiel. Sie meinte, sie würde gern ihrer besten Freundin eine Mail schreiben und ihr von Merlin erzählen. Ich fragte sie, ob sie auch ihrem Vater geschrieben habe. Sie schüttelte nur den Kopf, ohne mich anzusehen. Ich bedrängte sie nicht weiter.
    Ich ertrage es nicht, noch länger hier herumzuliegen und an all die Ausgaben zu denken, die ich mir nicht leisten kann, ebenso wenig wie an die Tragödie, die sich im Leben meiner Tochter gerade ereignet, oder an die Herausforderung eines Lebens mit einem Mädchen, das ebenso scheu und unzugänglich ist wie mein Kater. Behutsam schiebe ich Milo beiseite, ziehe meine Yogahose und einen Pulli über und frisiere mir das Haar aus dem Gesicht. Milo schlingt sich seinen langen schwarzen Schwanz ums Gesicht wie einen flauschigen Schal und schläft wieder ein.
    Ich tappe die Hintertreppe hinunter in die Backstube. Das Mondlicht scheint durch die Fenster und spiegelt sich in den Flächen der Kochinsel. Ich denke an Sofia, die nicht einmal zwei Tage zuvor noch hier gesessen hat.
    Die Deckenbeleuchtung wäre viel zu grell, deshalb knipse ich nur die kleinen Lampen über den Regalen, der Spüle und dem Tresen an, dann trete ich vor die Kühlschränke, die nebeneinander in der Ecke stehen.
    In ihnen lagere ich die Starter-Sauerteige, das Fundament meiner Bäckerei. Im Augenblick sind es drei Kulturen aus unterschiedlichen Zutaten – ein Kartoffel-Starter mit Roggen; ein Buttermilch-Weizenmehl-Starter, mit dem ich herumexperimentiere, und ein schwerer, dunkler Gerstenteig, aus dem sich ein so herzhaft-würziges Brot herstellen lässt, dass ein anonymer Reiseautor sich sogar zu einer Erwähnung im New York Magazine hinreißen ließ. Dieser Artikel bescherte mir weitere anonyme Kritiker und einige noch positivere Presseberichte.
    Und einen noch tieferen Riss zwischen mir und meiner Familie. Sie waren davon ausgegangen, dass ich scheitern würde. Bin ich aber nicht. Noch nicht.
    Auf dem Tresen steht
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