Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
Männer für denStiefeldienst des Kaisers und als Sänftenträger zu holen. Den Sohn des Alten, der noch immer seinen Beinschaden hatte, nahmen sie nicht.
    Chunglang mußte lächeln.
Der erhobene Finger
    M eister Djü-dschi war, wie man uns berichtet,
Von stiller, sanfter Art und so bescheiden,
Daß er auf Wort und Lehre ganz verzichtet,
Denn Wort ist Schein, und jeden Schein zu meiden
War er gewissenhaft bedacht.
Wo manche Schüler, Mönche und Novizen
Vom Sinn der Welt, vom höchsten Gut
In edler Rede und in Geistesblitzen
Gern sich ergingen, hielt er schweigend Wacht,
Vor jedem Überschwange auf der Hut.
Und wenn sie ihm mit ihren Fragen kamen,
Den eitlen wie den ernsten, nach dem Sinn
Der alten Schriften, nach den Buddha-Namen,
Nach der Erleuchtung, nach der Welt Beginn
Und Untergang, verblieb er schweigend,
Nur leise mit dem Finger aufwärts zeigend.
Und dieses Fingers stumm-beredtes Zeigen
Ward immer inniger und mahnender: es sprach,
Es lehrte, lobte, strafte, wies so eigen
Ins Herz der Welt und Wahrheit, daß hernach
So mancher Jünger dieses Fingers sachte
Hebung verstand, erbebte und erwachte.

    W ir habenLeid und Krankheit erlebt, wir haben Freunde durch den Tod verloren, und der Tod hat bei uns nicht nur von außen ans Fenster geklopft, er hat auch in uns innen Arbeit getan und Fortschritte gemacht. Das Leben, das einst so selbstverständlich war, ist zu einem kostbaren, immer bedrohten Gut geworden, der selbstverständliche Besitz hat sich in eine Leihgabe von ungewisser Beständigkeit verwandelt.
    Aber die Leihgabe mit unbestimmter Kündigungsfrist hat ihren Wert keineswegs verloren, die Gefährdung hat ihn eher noch erhöht. Wir lieben das Leben nach wie vor und wollen ihm treu bleiben, unter andrem um der Liebe und Freundschaft willen, die wie ein Wein von guter Herkunft mit den Jahren an Gehalt und Wert nicht abnimmt sondern wächst.
    (Aus einem Brief vom 24. 8. 1957 an Max Wassmer)

    D as Verlieren der Nächsten, der Jugendgenossen vor allem, ist ja unter dem vielen Wunderlichen und Zweideutigen, das uns das Alter bringt, vielleicht das Wunderlichste. Wie da so allmählich alle hinwegschwinden und man am Ende weit mehr Nahe und Nächste »drüben« hat als hier, wird man unversehens selber auf dies Drüben neugierig und verliert die Scheu, die der noch fester Umbaute davor hat.
    (Aus einem Brief vom 17. 3. 1950 an Thomas Mann)
Erster Schnee
    A ltgeworden bist du, grünes Jahr,
Blickst schon welk und trägst schon Schnee im Haar,
Gehst schon müd und hast den Tod im Schritt –
Ich begleite dich, ich sterbe mit.

    Zögernd geht das Herz den bangen Pfad,
Angstvoll schläft im Schnee die Wintersaat.
Wieviel Äste brach mir schon der Wind,
Deren Narben nun mein Panzer sind!
Wieviel bittre Tode starb ich schon!
Neugeburt war jedes Todes Lohn.

    Sei willkommen, Tod, du dunkles Tor!
Jenseits läutet hell des Lebens Chor.

    Z um Tod habe ich das gleiche Verhältnis wie früher, ich hasse ihn nicht und fürchte ihn nicht. Wenn ich einmal untersuchen wollte, mit wem und mit was ich nächst meiner Frau und meinen Söhnen am meisten und am liebsten Umgang habe, so würde sich zeigen, daß es lauter Tote sind, Tote aller Jahrhunderte, Musiker, Dichter, Maler. Ihr Wesen, verdichtet in ihren Werken, lebt fort und ist mir viel gegenwärtiger und realer als die meisten Zeitgenossen. Und ebenso ist es mit den Toten, die ich im Leben gekannt, geliebt und ›verloren‹ habe, meinen Eltern und Geschwistern, meinen Jugendfreunden – sie gehören zu mir und meinem Leben, heute ebenso wie einst, als sie noch lebten, ich denke an sie, träume von ihnen und rechne sie mit zu meinem täglichen Leben. Dies Verhältnis zum Tod ist also kein Wahnund keine hübsche Phantasie, sondern ist real und gehört zu meinem Leben. Ich kenne wohl die Trauer über die Vergänglichkeit, die kann ich mit jeder welkenden Blume empfinden. Aber es ist eine Trauer ohne Verzweiflung.
    (Aus einem Brief vom Juli 1955 an Hans Bayer)

    D ieser Tage las ich in einem der alten Chinesen: Wenn man die Verstorbenen Heimgegangene nennt, dann sind die Lebenden Wanderer. Wer wandert und weiß nicht wohin, ist heimatlos. Wenn ein einzelner Mensch seine Heimat verloren hat, so hält man das für unrecht. Nun aber die ganze Welt ihre Heimat verlor, ist niemand, der es unrecht fände.
    (Aus einem undatierten Brief an Alice Leuthold)

    D ie Jugend redet zwar gern vom Tod, denkt aber doch nie an ihn. Bei den alten ist es umgekehrt. Die Jungen glauben, ewig zu leben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher