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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
Autoren: Matt Beynon Rees
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Kardinalnepot.
    «Das bezweifele ich, Eure Durchlaucht und Hochwürden.»
    «Ach ja? Warum?»
    «Sie ist eine Hure.»
    Del Monte ließ die Hand sinken und seufzte.
    «Eure Durchlaucht würden doch niemals Vergnügen bei einer Frau suchen», sagte Caravaggio mit ironischem Unterton. «Bei so einer Frau, meine ich.»
    Scipione entkam dem Blick der heiligen Katharina immerhin lange genug, um sich Caravaggio zuwenden zu können. Seine sybaritischen Gesichtszüge verhärteten sich, und in seinen weinerlichen Äuglein sah Caravaggio Rachsucht und Erbarmungslosigkeit.
Seht euch vor, Römer
, dachte er.
Der hier hat nur so lange Zeit, euch mit Steuern auszurauben, wie sein Onkel noch lebt. Und er wird die Zeit nicht verschwenden
.
    Der Kardinal musterte den Maler. Sein Blick richtete sich auf jeden einzelnen der kleinen Risse und Flicken im schwarzen Samt von Caravaggios Wams. Verachtung stach durch den ärmlichen Stoff bis auf die Haut des Künstlers.
    Caravaggio kratzte sich im Nacken.
Bleib nett, Michele. Versuch es wenigstens.
Er überlegte, ob er erwähnen sollte, dass Fillide keine billige Straßenhure war, obwohl sie als Begleiterin Scipiones zweifellos nicht teuer genug wäre. Der durchlauchtige Kardinal benötigte eine versiertere Musikantin und Sängerin, ein Mädchen oder einen Jungen, die einen Vers improvisieren konnten, wenn ihre Dienste ihm nicht zusagten. In den sechs Jahren, seit er Fillide als heilige Katharina porträtiert hatte, hatte sie sich mit der halben Priesterschaft und dem halben niedrigen Adel Roms gepaart, dabei ihr Repertoire aber nicht um Fertigkeiten erweitert, die über die rein fleischlichen hinausgingen.
    «Mir gefällt diese Arbeit, Maestro Caravaggio.» Scipiones Stimme klang ruhig und scharf. «Aber ich mag den schwarzen Rahmen nicht. Ich würde ihn austauschen. Mir gefällt ein vergoldeter Rahmen besser.»
    Caravaggio war drauf und dran zu sagen, dass Scipione gut daran täte, zuerst einmal ein Gemälde für den Rahmen in Auftrag zu geben, biss sich aber auf die Lippen.
Schweig, Michele
.
    «Ja, ein vergoldeter Rahmen wäre am besten», sagte Scipione.
    «Meint Ihr, Eure Durchlaucht?»
    Wieder der erbarmungslose Blick. «Das habe ich gesagt. Ihr müsst also davon ausgehen, dass ich das auch meine. Aber ich kann natürlich nicht sagen, dass Ihr Euch sicher sein dürft.»
    Das war die Falle, die die Mächtigen für die sie Umgebenden aufstellten – und besonders für Künstler. Ein von einem Höfling ausgesprochenes, undiplomatisches Wort ließ sich schnell korrigieren, aber ein gegen die Regeln verstoßendes Gemälde, das in einer Kirche oder an einer Palastwand hing, war ein unbezweifelbarer Nachweis von Irrtum und Lasterhaftigkeit des Künstlers. Maler käuten die Werke Raffaels und Michelangelos wieder, weil diese verstorbenen Meister sie vor dem Vorwurf schützten, sie würden gefährlichen neuen Ideen anhängen. Doch wenn Caravaggio malte, folgte er dem Ruf seines Herzens,seiner Lesart der Schrift, seiner Hoffnung auf Erlösung, und er malte, was er auf der Welt sah, nicht das, was Leonardo ein Jahrhundert vor ihm gesehen hatte. Manchmal war er vorsichtig und überprüfte seine Kompositionen gemäß den Richtlinien für Maler religiöser Motive, die das Konzil von Trient erlassen hatte. Aber jetzt entschied Scipione darüber, ob eine Arbeit orthodox oder pietätlos, zu loben oder zu verdammen war. Würde man ein Bild malen, das nicht mit den Vorstellungen des Kardinalnepoten über die Weltordnung übereinstimmte, würde der Künstler mehr als nur seinen Auftrag aufs Spiel setzen. Es wäre die Hölle für ihn.
    Del Monte legte Scipione eine Hand auf den Ellbogen und drückte die andere Caravaggio dringlich auf die Schulter. Er manövrierte beide Männer ans hohe Fenster, von dem aus man die schlichte Fassade der Kirche San Luigi sehen konnte. «Seine Durchlaucht der Kardinalnepot hat die
Berufung des heiligen Matthäus
sehr bewundert, als ich sie ihm heute Nachmittag gezeigt habe.»
    Durch den Druck von del Montes Hand angespornt, nahm Caravaggio die große Anstrengung auf sich, den Kopf tief über sein ausgestrecktes Bein zu beugen.
    Unter dem Strumpf zeichnete sich sein Knie ab.
Woher stammt dieser Riss?
, dachte er. Er erinnerte sich vage an einen Sturz gestern Nacht auf der Straße.
Bei den Tennisplätzen in der Nähe der Piazza Navona. Jemand hat mich angerempelt. Eine verlorene Wette, die ich nicht begleichen wollte, ganz recht. Wem schulde ich das Geld? Die Zocker auf den
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