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Mit 15 wachsen einem Flügel

Mit 15 wachsen einem Flügel

Titel: Mit 15 wachsen einem Flügel
Autoren: Tina Caspari
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gefallen war.
    „Was wollen wir ihr mitbringen?“ fragte sie eifrig. „Blumen? Oder Schokolade?“
    „Wäre es nicht das beste, wir sammelten — für einen großen Blumenstrauß, den wir drei dann im Namen aller anderen überreichen?“ meinte Katjä. „Ihr wißt doch, daß Frau Künzel Blumen über alles liebt. Und ich finde das schöner, als wenn jede von uns mit einem kleinen, mickrigen Strauß ankommt.“
    „Du hast recht. Einen riesigen bunten Frühlingsstrauß! Was haltet ihr davon?“ Elfie schaute in die Runde.
    Die Mädchen stimmten begeistert zu. Ulrike zog übermütig ihren Spitzenschuh aus, kramte ein Zweimarkstück aus ihrer Tasche und steckte es in den Schuh. Dann hielt sie ihn den anderen hin. Bald purzelten die Geldstücke über den Rand, so prall war er gefüllt. Katja und Petra bekamen den Auftrag, den Strauß zu besorgen.

    Hoffentlich haben sie im Krankenhaus eine große Vase, dachte Katja, als sie am nächsten Tag einen in Seidenpapier gehüllten Riesenstrauß aus Tulpen, Narzissen, Iris und Mandelblütenzweigen wie ein Wickelkind vor sich hertrug. Ein Glück, daß sie die Blumen in der Nähe des Krankenhauses gekauft hatte, nicht auszudenken, wenn sie mit diesem Ungetüm in den überfüllten Bus hätte steigen müssen!
    Elfie und Kathrin warteten schon am Eingang, als Katja die Auffahrt heraufkam. Elfie, deren Eltern eine Konditorei besaßen, trug einen Baumkuchen in einer Cellophanschachtel im Arm, den ihr Vater extra für Frau Künzel gebacken hatte. Kathrinchen war blaß unter ihrer rotgoldenen Wuschelmähne, ihr war die Krankenhausatmosphäre unheimlich. Diese ernsten, bleichen Gestalten, die in Bademänteln und Morgenröcken, Pantoffeln an den Füßen, durch die Flure schlurften, der Geruch nach Äther, die fahrbaren Krankenbetten, die an den Wänden herumstanden, aufflammende Lichter über den Türen, weißbekittelte Schwestern und Pfleger und diese nicht endenwollenden Gänge und Treppen. Kathrin wünschte sehnsüchtig, sie hätte den Besuch schon hinter sich und stände wieder draußen in der Sonne.
    „Zimmer vierhundertelf — hier ist es!“
    Elfie klopfte vorsichtig an. Als nach einem zweiten Klopfen niemand antwortete, öffnete sie die Tür einen Spalt und entdeckte, daß sie vor einer zweiten, dick gepolsterten Tür standen.
    „Geht nur hinein“, ermunterte sie eine Schwester, die hinter ihnen den Flur entlanglief.
    Elfie öffnete die Tür vorsichtig und schob sich ins Zimmer. Ihr folgte Kathrin, das Schlußlicht bildete Katja mit dem gewaltigen Frühlingsstrauß, der ihr jede Sicht nahm.
    „Ah — wie schön, daß ihr mich besuchen kommt!“ Die Stimme, die vom Bett herkam, klang leise und krächzend und überhaupt nicht nach Frau Künzel.
    Katja ließ den Blumenstrauß sinken und schaute zu dem von Flaschen, Schläuchen und Behältern umgebenen weißen Gestell. Ihr Blick blieb wie gebannt an einem großen Glasbehälter hängen, aus dem eine blasse Flüssigkeit in einen Schlauch tropfte, und folgte dem Schlauch, der an einem weißen, mageren Arm in eine Nadel einmündete, wanderte dann den Arm hinauf zu einem blassen schmalen Gesicht, das zwischen den Kissen fast verschwand. War das Frau Künzel, die geliebte, bewunderte Lehrerin? Unmöglich!
    Aber dann traf Katjas Blick den von Frau Künzel, ihre gütigen, humorvollen Augen. Und diese Augen lachten, machten sich über alles lustig, die Verbände, die Glasbehälter und Schläuche, sie schienen zu sagen: schlimm, was man hier mit mir anstellt, wie? Aber auch das wird vorübergehen. Und Katja hielt sich an diesem Blick fest, überwand den Schrecken, der sie für einen Augenblick gelähmt hatte, und konnte nun selbst wieder lächeln.
    „Wir haben Ihnen einen kleinen Blumenstrauß mitgebracht — mit herzlichsten Grüßen der ganzen Schule. Wir alle wünschen Ihnen, daß Sie schnell gesund werden und bald wieder bei uns sein können!“ Unwillkürlich machte sie dann einen kleinen Knicks — wie damals als kleines Mädchen, als sie dem Großvater ein Gedicht zum siebzigsten Geburtstag aufsagen mußte.
    „Wie schön!“ flüsterte Frau Künzel. „Ihr habt ja draußen den ganzen Frühling für mich eingesammelt! Komm ein bißchen näher damit!“
    Katja trat dicht ans Bett, ängstlich besorgt, nicht an einem der Schläuche hängenzubleiben. Frau Künzels Augen leuchteten, ihre Hände tasteten nach den Blumen, mit den Fingerspitzen streichelte sie die Blüten. Katja fühlte einen Kloß in der Kehle.
    „Ich werde mich mal um
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